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Auch ohne Hormone sicher verhüten

<p class="bodytext">Jahrzehntelang war die „Pille“ die am häufigsten verwendete Verhütungsmethode. Das hat sich geändert: Immer mehr Frauen sehen die dauerhafte Hormoneinnahme kritisch, und viele Männer wollen mehr Verantwortung tragen. Doch welche Alternativen gibt es? Lesen Sie, welche nicht-hormonellen Methoden es zur Empfängnisverhütung gibt, wie sie angewendet werden und – vor allem – wie sicher sie sind. </p><p class="bodytext"><strong>Sicherheit der Methoden schwankt erheblich </strong> </p><p class="bodytext">Korrekt eingenommen ist die Antibabypille ein besonders zuverlässiges Verhütungsmittel. Doch die Kehrseite der hormonellen Verhütung ist bekannt. Egal welche Variante, es drohen unerwünschte Wirkungen wie Gewichtszunahme, Thrombosen, Depressionen und Libidoverlust. Ganz zu schweigen von der sinkenden Bereitschaft vieler Frauen, sich täglich Hormone zuzuführen. Deshalb nimmt die Nutzung der Pille seit Jahren ab. </p><p class="bodytext">Als Alternativen stehen zahlreiche nicht-hormonelle Verhütungsmethoden zur Verfügung. Sie unterscheiden sich im Aufwand, der Art der Anwendung sowie in der Sicherheit. Gemessen wird die Zuverlässigkeit einer Verhütungsmethode häufig mithilfe des Pearl-Index . Er gibt die Anzahl der Schwangerschaften an, die pro 100 Frauen innerhalb eines Jahres trotz Anwendung der Methode schwanger werden. Ein niedriger Pearl-Index deutet auf eine hohe Zuverlässigkeit hin. </p><p class="bodytext">Den Pearl-Index gibt es in zwei Varianten. Der Pearl-Index der Methodensicherheit zeigt, wie zuverlässig die Verhütungsmethode beim perfekten, fehlerfreien Gebrauch ist. Beim typischen Gebrauch kommt es häufiger zu Schwangerschaften, der Pearl-Index der Gebrauchssicherheit liegt deshalb höher. Da dieser Index die Realität besser widerspiegelt, wird er meist bei der Angabe zur Zuverlässigkeit von Kontrazeptiva verwendet. Die in Deutschland häufig genutzten nicht-hormonellen Verhütungsmethoden haben in etwa folgende Pearl-Indizes (Gebrauchssicherheit/ Methodensicherheit): </p><p class="bodytext"><ul><li>Keine Verhütung: 85/85</li><li>Natürliche Familienplanung, symptothermale Methode:1,8/0,4 </li><li>Laktationsamenorrhö: 1,5/1,25 </li><li>Koitus interruptus: 18/4 </li><li>Kondom: 12/2 </li><li>Frauenkondom: 25/5 </li><li>Diaphragma: 12-18/4-14 </li><li>Kupferspirale:0,3-0,8/ keine Angabe </li><li>Sterilisation Frau:0,2-0,3 </li><li>Sterilisation Mann:0,1 </li></ul> </p><p class="bodytext">Als sehr zuverlässig gelten Methoden mit einem Pearl-Index unter 1, d.h. mit weniger als einer Schwangerschaft pro 100 Frauen im Jahr. Methoden mit Werten zwischen 1 und 9 gelten als zuverlässig, Methoden mit einem höheren Pearl-Index als unzuverlässig. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis: </strong>Neben der sicheren Verhütung spielt bei der Wahl der Methode ein weiterer Aspekt eine Rolle: Der Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten wie z. B. Gonorrhö oder HIV. Das kann nur das Kondom zuverlässig. </p><p class="bodytext">Natürliche Familienplanung: besser als ihr Ruf </p><p class="bodytext"> Die natürliche Familienplanung beruht darauf, dass die Frau durch intensive Selbstbeobachtung ihre fruchtbaren Tage erkennt. Will die Frau nicht schwanger werden, muss sie in dieser Zeit auf Sex verzichten oder zusätzlich verhüten. Als zuverlässig gilt die symptothermale Methode. Dabei lassen sich die fruchtbaren Tage anhand von zwei Parametern erkennen: </p><p class="bodytext"><ul><li><strong>Basaltemperatur</strong>. Die morgendliche Aufwachtemperatur misst man täglich rektal, vaginal oder oral. Durch das tägliche Messen wird klar, was die individuelle Normaltemperatur ist. Ein Anstiecg der Temperatur ist dann ein Hinweis für den bevorstehenden Eisprung und damit auf den Beginn der fruchtbaren Phase. </li><li><strong>Zervixschleim</strong>. Der aus der Scheide entnommene Zervixschleim ändert sich im Zyklus in seiner Konsistenz. In der unfruchtbaren Phase ist er eher trocken und klebrig, in der fruchtbaren dehnbar („spinnbar“) und durchsichtig. </li></ul> </p><p class="bodytext">Mithilfe der gewonnen Ergebnisse lässt sich das fruchtbare Fenster gut bestimmen. Zur symptothermalen Methoden zählt z. B. auch die von der Malteser Arbeitsgruppe NFP entwickelte Familienplanungsmethode Sensiplan<sup>R</sup>. Wird die Sensiplan-Methode bei ausgebildeten Berater*innen erlernt, ist ihre Sicherheit sehr gut (Pearl-Index Gebrauchssicherheit 1,8). Für Frauen, die deren Anwendung autodidaktisch lernen, gibt es bisher keine Daten. </p><p class="bodytext">Nicht sicher sind Methoden, die sich nur auf eines der genannten Zeichen verlassen oder sogar nur die durchschnittliche Zykluslänge nutzen, um rein rechnerisch die fruchtbaren Tage zu ermitteln. Die Methode verliert an Zuverlässigkeit, wenn Frauen Medikamente einnehmen, die zu Zyklusschwankungen führen. Dazu gehören z.B. Neuroleptika und Psychopharmaka. Auch wenn Frauen einen sehr unregelmäßigen Alltag haben, zum Beispiel bei Schichtarbeit oder häufigen Reisen in andere Zeitzonen, ist die Sicherheit der Methode eingeschränkt. </p><p class="bodytext">Aktuell werden für die Natürliche Familienplanung auch immer mehr Zyklus-Apps beworben. Zur Dokumentation bei symptothermalen Methoden schätzen Expert*innen dies als sinnvoll ein. Abgeraten wird jedoch von Apps, die das fruchtbare Fenster mithilfe von Hormontests in Urin und Speichel, nächtlicher Pulsrate und der durch Armbänder oder Ringe gemessenen Temperatur erkennen wollen. Diese Anwendungen haben in Studien bisher nicht nachweisen können, dass sie zuverlässig sind. Das gilt auch für sogenannte Prognose-Apps, die allein aufgrund der Basaltemperatur die Empfängnisbereitschaft vorhersagen wollen. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Von den zur Verfügung stehenden Methoden zur Natürlichen Familienplanung empfehlen Expert*innen vor allem die symptothermale Methode. Zu ihrer sicheren Anwendung sollten Frauen jedoch von entprechenden Berater*innen geschult werden. </p><p class="bodytext"><strong>Koitus interruptus – der Rückzieher </strong> </p><p class="bodytext">Der Koitus interruptus ist wahrscheinlich die älteste Verhütungsmethode überhaupt. Sie beruht darauf, dass der Mann vor dem Samenerguss seinen Penis aus der Scheide zurückzieht und auf diese Weise keine Spermien in die Gebärmutter hineingelangen. </p><p class="bodytext">Die Sicherheit der Methode ist sehr gering. Der Verhütungsschutz hängt davon ab, dass der Mann den Zeitpunkt zum Zurückziehen des Penis erkennt und die erforderliche Selbstkontrolle aufbringt, dies auch zu tun. Die Daten zeigen, dass dies sehr häufig nicht gelingt. Der Pearl-Index für die Gebrauchssicherheit liegt bei etwa 20. Wird der Koitus interruptus perfekt beherrscht, schätzt man den Pearl Index auf 4. </p><p class="bodytext"><strong>Verhütung durch Stillen </strong> </p><p class="bodytext">Beim Stillen führt das Saugen des Babys an der Brust dazu, dass das Gehirn die Ausschüttung eines bestimmten Botenstoffs (Gonadotropin-Freisetzungs-Faktor) verringert. In der Folge wird die Aktivität der Eierstöcke gebremst und der Eisprung unterbleibt. Deshalb kommt es nicht zur Monatsblutung, weshalb dieser Zeitraum auch Laktationsamenorrhö heißt. </p><p class="bodytext">Für einen sicheren Empfängnisschutz (der Pearl-Index für die Gebrauchssicherheit liegt zwischen 0,9 bis 1,2) müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: </p><p class="bodytext"><ul><li>Die Frau befindet sich in den ersten sechs Monaten nach Geburt.</li><li>Es besteht eine Amenorrhö, also keine Blutung. </li><li>Die Frau stillt voll (keinerlei Zufüttern!), mit Stillpausen von maximal 6 Stunden nachts und 4 Stunden tagsüber. </li></ul> </p><p class="bodytext"><strong>Barrieremethoden: Das Männerkondom </strong> </p><p class="bodytext">Barrieremethoden zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Zusammentreffen von Eizelle und Spermien verhindern. Vor allem handelt es sich dabei um Kondome, und Diaphragma sowie Frauenkondome. Die von Frauen verwendeten Barrieremethode konnen mit spermiziden Gels kombiniert werden. Die alleinige Anwendung von spermiziden Gels, Zäpfchen oder Schwämmen in der Scheide wird von Expert*innen nicht zur Empfängnisverhütung empfohlen. </p><p class="bodytext">Kondome sind für Männer die einzige Verhütungsmethode, die reversibel ist - also einfach auch wieder „abgesetzt“ werden kann, wenn Kinderwunsch besteht. Praktischerweise schützen Kondome gleichzeitig auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten.. Kondome sind aus Latex oder Polyurethan und in verschiedenen Größen erhältlich. Ihre Anwendung sollte geübt werden, Beratungsangebote gibt es bei pro familia und online (familienplanung.de, profamilia.de). Damit Kondome effektiv sind, muss einiges beachtet werden: </p><p class="bodytext"><ul><li>Die richtige Größe nehmen. Hilfe für die Auswahl findet sich im Internet (https://www.profamilia.de/fileadmin/publikationen/Jugendliche/man_nehme_ein_kondom_2010.pdf). </li><li>Beim Aufreißen der Kondomverpackung aufpassen, dass das Kondom nicht durch Fingernägel, Zähne, Piercings etc. beschädigt wird.</li><li>Das Kondom über den steifen Penis streifen und komplett abrollen. Vorher die Luft in der Spitze mit den Fingern rausdrücken, damit dort Platz für das Sperma ist.</li><li>Kein Gleitgel auf den Penis oder in das Kondom schmieren! Das fördert die Gefahr, dass das Kondom wieder abrutscht. </li><li>Bei trockener Vagina hilft ein Gleitgel außen auf dem Kondom. Es erleichtert der Frau das Eindringen des Penis und schützt das Kondom vorm Reißen. Das Gleitgel sollte auf Wasser- oder Silikonbasis sein. Fettlösliche Gleitgele schädigen die Latexhülle. </li><li>Nach dem Samenerguss das Kondom beim Herausziehen des Penis festhalten, damit es nicht abrutscht und Sperma in die Scheide gelangt. </li></ul> </p><p class="bodytext">Ein Nachteil der Kondome ist, dass sie häufig als Lusttöter gelten. Die Unterbrechung des Liebesakts zum Überstreifen des Gummis wird als störend und beschämend empfunden. Mit etwas Übung lässt sich aber auch ein Kondom spielerisch in den Akt integrieren. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Die Sicherheit von Kondomen hängt ganz entscheidend von der Nutzung ab. Ist diese „perfekt“, liegt der Pearl-Index bei 2. Im alltäglichen Gebrauch mit möglichen Anwendungsfehlern steigt der Pearl-Index auf 12, in manchen Untersuchungen auch höher. </p><p class="bodytext"><strong>Diaphragma: Latexgrenze vor der Gebärmutter</strong> </p><p class="bodytext"> Beim Diaphragma handelt es sich um eine Barrieremethode, die die Frau anwendet. Sie verhindern eine Schwangerschaft, indem sie den Spermien den Zugang durch den Gebärmutterhals verwehren. Das Diaphragma ist eine Art Kappe aus Silikon oder Latex und wird vor dem Geschlechtsverkehr durch die Scheide bis an den Gebärmutterhals geschoben und dort platziert. Es indet Halt zwischen dem hinteren Scheidengewölbe und der retropubischen Nische. </p><p class="bodytext"> Vor dem Einsetzen sollte das Diaphragma mit einem spermientötenden Verhütungsgel bestrichen werden. Empfohlen werden Gele auf Milchsäurebasis. Diese sind nicht nur verträglicher als die üblicherweise verwendeten Nonoxynol-9-haltigen Produkte. Nonoxyl-9 schädigt die Scheidenschleimhaut und führt dazu, dass sich Frauen leichter mit HIV anstecken. </p><p class="bodytext">Entfernt werden sollte ein Diaphragma frühestens sechs Stunden nach dem Geschlechtsverkehr – in diesem Zeitraum sind die evtl. in der Scheide zurückgebliebene Spermien in der Regel abgestorben. Um Reizungen und Infektionen zu vermeiden, darf ein Diaphragma aber nicht länger als 24 bis 30 Stunden, in der Scheide verbleiben. Die Haltbarkeit der Plastikkappen wird je nach Produkt und Anwendungshäufigkeit mit 1 bis 2 Jahren beschrieben. </p><p class="bodytext"> Auch wenn das Diaphragma frei verkäuflich ist, wird eine Anpassung und Anleitung durch die Frauenärzt*in oder eine geschulte Fachkaft empfohlen. Zu beachten ist, dass diese Barrieremethode nicht für alle Frauen geeignet ist. So sollte man nach einer Geburt, einem späten Schwangerschaftsabbruch oder einer Fehlgeburt mehrere Wochen damit warten, zudem sollte die Größe überprüft werden. Manche anatomischen Besonderheiten wie eine schwache Beckenbodenmuskulatur oder ein Gebärmuttervorfall können den korrekten Sitz beeinträchtigen. </p><p class="bodytext">Die Zuverlässigkeit des Diaphragmahängt davon ab, ob es korrekt und gemeinsam mit einer spermiziden Creme benutzt wird. Der Pearl-Index liegt auch bei perfektem Gebrauch zwischen 4 und 14. Frauen, die diese Barrieremethoden verwenden, sollten über die Notfallkontrazeption informiert sein. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Das Diaphragma schützt nicht vor sexuell übertragbaren Erkrankungen. Wird das gewünscht, sollten zusätzlich Kondome verwendet werden. </p><p class="bodytext"><strong>Frauenkondom schützt Frauen doppelt</strong> </p><p class="bodytext"> Das Frauenkondom ist ein etwa 18 cm langer Schlauch mit einer dünnen, reißfesten Hülle aus Latex oder Kunststoff, z.B. Polyurethan. Das hintere Ende ist geschlossen, vorne befindet sich ein offener Ring. </p><p class="bodytext">Das Kondom wird bis zu 8 Stunden vor dem Geschlechtsverkehr mit dem geschlossenenen Ende nach hinten in die Scheide eingelegt, der offene Ring bleibt auf der Vulva. Es kann immer angewendet werden, auch während der Monatsblutung oder im Wochenbett. Nach dem Erguss muss das Frauenkondom vorsichtig aus der Scheide entfernt werden. Es ist wie das Kondom für Männer ein Einmalprodukt du darf nicht wiederholt zum Einsatz kommen. </p><p class="bodytext">Der Pearl-Index beträgt bei perfekter Verwendung 5, bei typischer Anwendung 21. Mit einem Frauenkondom können Frauen sich selbst aber nicht nur vor einer Schwangerschaft, sondern auch vor sexuell übertragbaren Erkrankungen schützen. Ob diese Methode dabei genauso effektiv ist wie das Männerkondom, ist noch nicht ausreichend untersucht. </p><p class="bodytext"><strong>Die Kupferspirale: sicher und langlebig </strong> </p><p class="bodytext">Etwa 13% der Frauen in Deutschland verhüten mit Intrauterinpessaren. Dabei handelt es sich um kleine T-förmige Gebilde aus Kunststoff, die in die Gebärmutter eingebracht werden. Sie werden auch Spirale genannt. Es gibt zwei Arten von Intrauteinpessaren, die Hormonspirale und die hormonfreie Kupferspirale. Beide verhindern Schwangerschaften zuverlässig. </p><p class="bodytext"> Kupferspiralen sind mit einem Kupferdraht umwickelt und setzen Kupferionen frei (es gibt sie auch als Kupferkette oder Kupferball statt T-förmig). Das Kupfer verhindert Schwangerschaft auf drei Arten: </p><p class="bodytext"><ul><li>Es verändert den Schleim am Gebärmutterhals und hindert dadurch Spermien am Eindringen in die Gebärmutter. </li><li>Es schränkt die Spermien in ihrer Beweglichkeit ein. </li><li>Es wirkt so auf die Gebärmutterschleimhaut, dass sich eine (evtl. dennoch) befruchtete Eizelle nicht einnisten kann. </li></ul> </p><p class="bodytext">Das Einsetzen von Intrauterinpessaren erfolgt durch Frauenärzt*innen, ebenso wie die regelmäßig erforderlichen Kontrollen. Die Verhütung mit einer Kupferspirale gilt mit einem Pearl-Index von 0,5-1 als sehr zuverlässig. </p><p class="bodytext">Die Kupferspirale hat – wie alle Intrauterinpessare – auch Nachteile. Dysmenorrhö, also Schmerzen bei der Menstruation, werden häufig verstärkt. Außerdem ist das Risiko für aufsteigende Infektionen in den Geschlechtsorganen erhöht. Zudem kann es beim Einlegen sehr selten zu Komplikationen wie einer Perforation (Durchbohrung) der Gebärmutterwand kommen. </p><p class="bodytext">Früher wurde sehr jungen Frauen und Frauen, die noch nicht geboren hatten, von der Spirale abgeraten. Ihr Risiko für Komplikationen wie Genitalinfektionen oder Perforationen sollte erhöht sein. Das ist heute nicht mehr haltbar. Auch junge Frauen und Kinderlose können nach Beratung und Untersuchung durch ihre Frauenärzt*in mit einer Spirale verhüten. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Wer ein Intrauerinpessar trägt, sollte als Monatshygiene keine Menstruationstasse nutzen. Es gibt Hinweise darauf, dass durch Entfernung der Tassen die Spirale aus der Gebärmutter mit entfernt wird. Das könnte an dem Sog der Tasse liegen oder daran, dass der Faden der Spirale versehentlich mitgefasst wird. </p><p class="bodytext"><strong>Die Sterilisation: eine (fast) endgültige Methode </strong> </p><p class="bodytext">Die Sterilisation gehört sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen zu den sichersten Verhütungsmethoden. Der Pearl-Index beträgt bei der Frau 0,5, beim Mann 0,15. Eine Sterilisation wird nur empfohlen, wenn die Familienplanung abgeschlossen ist. Refertilisationen (also Eingriffe zur Wiederherstellung der Fruchtbarkeit) sind zwar prinzipiell möglich, aber aufwändig, mit Risiken behaftet und nur mäßig erfolgreich. </p><p class="bodytext">Die Sterilisation des Mannes erfolgt durch eine Vasektomie, meist ambulant und unter örtlicher Betäubung. Dabei wird der Samenleiter entweder chirurgisch durchtrennt oder langstreckig durch Hitze oder so Strom verödet, dass er nicht mehr durchgängig ist. Auf diese Weise können keine Spermien mehr aus dem Hoden in das Ejakulat gelangen. Direkt nach dem Eingriff besteht noch kein sicherer Empfängnisschutz. Der liegt erst vor, wenn sich im Ejakulat sicher keine Spermien mehr befinden. Das ist frühestens acht Wochen nach Vasektomie der Fall. Regelmäßige Ejakulationen können den Zeitraum bis zur Azoospermie verkürzen. Nach der Sterilisation des Mannes muss dieser nicht mit hormonellen Veränderungen rechnen. Ob sich das Risiko für ein Prostatakrebs geringfügig erhöht, ist noch nicht abschließend geklärt. </p><p class="bodytext">Etwa 6% der Männer bereuen die Vasektomie. Prinzipiell ist bei Kinderwunsch eine operative Refertilisierung möglich. Wurde der Samenleiter durchtrennt, ist dies leichter, als wenn er verödet wurde. Eine andere Möglichkeit, nach Vasektomie Vater zu werden, ist die künstliche Befruchtung mit Entnahme von Spermien aus dem Hoden (TESE-ICSI-Methode). </p><p class="bodytext">Die Sterilisation der Frau ist aufwändiger als die des Mannes. Sie wird meist in Vollnarkose im Rahmen einer Bauchspiegelung durchgeführt. Ziel ist, die Eileiter zu verschließen. Das erfolgt entweder mit Clips, durch Verödung oder mit Implantaten. </p><p class="bodytext"> Die Sterilisation der Frau ändert weder ihre Menstruationsblutung noch ihre natürliche Hormonsituation. Möchte eine Frau nach Sterilisation schwanger werden, ist grundsätzlich eine Refertilisierung möglich. Dabei versucht man, die Eileiter wieder durchgängig zu machen. Die berichteten Schwangerschaftsraten nach solchen Eingriffen unterscheiden sich sehr. Eine weitere Option für eine Schwangerschaft nach Sterilisation besteht in der In-vitro-Fertilisation. Dabei werden der Frau Eizellen aus dem Ovar entnommen, außerhalb des Körpers befruchtet und dann in die Gebärmutter eingesetzt. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis: </strong>Vor einer Sterilisation sollte sich die Betroffene intensiv mit anderen Formen der Empfängnisverhütung auseinandergesetzt haben. Liegen dem Sterilisationswunsch traumatische Erlebnisse zugrunde, ist es hilfreich, zunächst professionelle psychologische Beratung zu suchen. </p><p class="bodytext"> Quellen: S2K-Leitlinie Nicht-hormonelle Empfängnisverhütung, AWMF Registernummer 015-095 vom Dezember 2023, www.profamilia.de </p>

Gezielt gegen Blasenschwäche

<p class="bodytext">Immer noch ein Tabu, aber weit verbreitet: Unter einer Blasenschwäche leiden in Deutschland Millionen von Frauen und Männern. Gegen den unwillkürlichen Urinverlust helfen allgemeine Maßnahmen und das Trainieren von Blase und Beckenboden. Reicht das nicht aus, kommen Medikamente ins Spiel. </p><p class="bodytext"><strong>Eingeschränkte Lebensqualität </strong> </p><p class="bodytext">Blasenschwäche (Harninkontinenz) ist die Unfähigkeit, den Urin in der Harnblase zu halten. Es kommt stattdessen zu unkontrolliertem Urinverlust, entweder tröpfchenweise oder auch im Schwall. Darunter leiden viele Menschen. Bei den 40- bis 60-Jährigen ist jede Zehnte betroffen, bei den Über-60-Jährigen jede Vierte. </p><p class="bodytext">Ob jünger oder älter – eine Blasenschwäche ist immer sehr belastend. Je nach Ausmaß wird die Lebensqualität durch die Inkontinenz stark eingeschränkt. Weil sie sich schämen, gehen viele Menschen trotz ihrer Beschwerden nicht zur Ärzt*in. Dabei ist es wichtig, eine Blasenschwäche zu behandeln. Denn nicht nur die psychischen Folgen wie Depressionen und Vereinsamung sind erheblich. Es drohen Hautentzündungen im Intimbereich und wiederkehrende Harnwegsinfektionen bis hin zum Nierenschaden. Zudem fallen alte Menschen mit Blasenschwäche häufiger hin, weil sie die Toilette schnell erreichen wollen. Solche Stürze enden oft mit einer fatalen Oberschenkelhalsfraktur. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Frauen leider öfter an Blasenschwäche als Männer. Ihr Beckenboden ist dehnbarer und hat mehr Durchgänge als der männliche Beckenboden. Außerdem wird der Blasenverschluss beim Mann durch die unter der Blase liegende Prostata unterstützt. </p><p class="bodytext"><strong>Welche Blasenschwäche ist es? </strong> </p><p class="bodytext">Blasenschwäche ist nicht gleich Blasenschwäche. Um die Beschwerden zu dokumentieren und besser interpretieren zu können, ist ein Blasentagebuch hilfreich. Darin hält man täglich fest, wieviel man trinkt und wie häufig man auf die Toilette muss. Wenn möglich, misst man auch die Menge des täglich ausgeschiedenen Urins. Mithilfe dieser Informationen kann die Ärzt*in die Blasenschwäche meist gut einordnen. </p><p class="bodytext"><strong>Belastungsinkontinenz.</strong> Jede zweite Frau mit Blasenschwäche leidet an einer Belastungsinkontinenz (früher auch Stressinkontinenz genannt). Dabei verliert die Betroffene Urin, ohne dass sie vorher einen Harndrang bemerkt hat. Der muskuläre Verschluss am Ausgang der Blase funktioniert nicht mehr gut, etwa weil die Beckenbodenmuskulatur schwach ist oder die Beckenbänder geschädigt sind. Dann genügt schon ein kleiner Druckanstieg in der Blase und die Betroffene verliert Urin. Der Druck in der Blase steigt an, wenn sich der Druck im Bauchraum erhöht. Dazu kommt es schon bei ganz normalen körperlichen Beanspruchungen wie Husten, Niesen oder dem Heben schwerer Gegenstände. Begünstigt wird die Belastungsinkontinenz durch eine Gebärmuttersenkung und Übergewicht. </p><p class="bodytext"><strong>Dranginkontinenz.</strong> Bei der Dranginkontinenz muss die Betroffene plötzlich ganz dringend auf die Toilette, ohne dass die Blase richtig gefüllt ist. Wer nicht schnell genug ist, verliert kleine Tropfen Urin, manchmal aber auch einen ganzen Schwall. Das passiert sowohl tagsüber als auch nachts. Auslöser ist eine Störung in der Blasenwandmuskulatur, z.B. durch Entzündungen, Blasensteine oder neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder Parkinson. Beim Mann kommt als Ursache auch eine Prostatavergrößerung in Frage. </p><p class="bodytext"><strong>Mischinkontinenz.</strong> Hier leiden die Betroffenen unter beiden Formen der Blasenschwäche. Sie haben wie bei einer Dranginkontinenz auch bei nicht gefüllter Blase Harndrang und ungewollten Urinverlust. Außerdem verlieren sie Urin bei körperlicher Beanspruchung. </p><p class="bodytext"><strong>Überaktive Blase.</strong> Bei dieser Blasenschwäche zieht sich der Muskel am Blasenausgang immer wieder zusammen und lässt dann wieder los. Das Phänomen ist nervenbedingt oder psychisch. Die Patient*innen leiden unter sehr starkem, manchmal sogar schmerzhaftem Harndrang, der sie mehr als acht Mal täglich und auch nachts zur Toilette zwingt. Solange der Beckenboden noch funktioniert, können die Betroffenen den Urin aber noch willkürlich zurückhalten. </p><p class="bodytext">Daneben gibt es weitere Formen der Blasenschwäche. Befindet sich z.B. am Blasenausgang ein Tumor oder Blasenstein, entleert sich die Blase beim Wasserlassen nicht komplett. Es bleibt Urin in der Blase, d.h. die Menge an sog. Restharn steigt an. Die Blase ist überfüllt und kann überlaufen. Patient*innen haben meist einen dauerhaften Harndrang und verlieren ständig kleine Mengen an Urin. Andere Ursachen für Blasenschwäche sind Nervenerkrankungen wie z.B. die Querschnittlähmung. Dabei lösen Reflexe (etwa bei gefüllter Blase) das Pinkeln aus. Man spricht dann von einer Reflexinkontinenz. </p><p class="bodytext">Ist die Form der Blasenschwäche erkannt, wird nach der Ursache gesucht. Je nach Verdachtsdiagnose kommen spezielle Untersuchungen zum Einsatz. Dazu gehören z.B. die Restharnbestimmung und die Urinanalyse, z.T. auch Blutuntersuchungen zur Überprüfung der Nierenfunktion. Bei Frauen ist eine gynäkologische Untersuchung empfehlenswert, da Veränderungen im Becken häufig eine Blasenschwäche auslösen oder verstärken. Beim Mann ist die Untersuchung der Prostata obligat. In manchen Fällen sind auch Ultraschalluntersuchungen oder eine Blasenspiegelung nötig. </p><p class="bodytext"><strong>Was gegen die Blasenschwäche hilft </strong> </p><p class="bodytext">Liegt der Harninkontinenz eine Erkrankung zugrunde, wird diese entsprechend therapiert. Dies ist zum Beispiel bei der Prostatavergrößerung oder bei Blasensteinen der Fall. Häufig gibt es aber keine behandelbare Ursache. In diesen Fällen geht man den ungewollten Urinverlust in Stufen an. Basis sind folgende Allgemeinmaßnahmen: </p><p class="bodytext"><ul><li><strong>Koffeinkonsum reduzieren.</strong> Kaffee, Cola und schwarzer Tee haben aufgrund des Koffeins eine ausschwemmende Wirkung. Bei manchen Betroffenen wird die Blasenschwäche besser, wenn sie diese Genussmittel vermeiden. </li><li><strong>Übergewicht verringern.</strong> Zu viele Kilos erhöhen den Druck im Bauch und folglich auch den Druck auf die Blase. Abnehmen bessert deshalb vor allem die Belastungsinkontinenz. </li><li><strong>Verstopfung behandeln.</strong> Starkes Pressen beim Stuhlgang belastet die Beckenbodenmuskulatur und schwächt diese auf Dauer. </li><li><strong>Flüssigkeitszufuhr kontrollieren</strong>. Vor allem bei der überaktiven Blase kann es helfen, etwas weniger zu trinken. Aber Vorsicht, diese Maßnahme sollte man immer mit der Ärzt*in besprechen. Auf keinen Fall darf man aufgrund seiner Blasenschwäche eine Austrocknung (Dehydrataion) riskieren. </li><li>Mehr bewegen. Spazierengehen und auch Hausarbeit sind besser als Herumsitzen und Schonen. Denn auch moderate körperliche Bewegung stärkt den Beckenboden. </li><li><strong>Ungünstige körperliche Belastungen vermeiden</strong>. Schweres Heben schadet dem Beckenboden, ebenso sind manche Sportarten ungünstig. Dazu gehören z.B. Trampolinspringen oder Crossfit-Training. </li><li><strong>Rauchen aufgeben.</strong> Raucherhusten geht oft mit einer Belastungsinkontinenz einher. </li></ul> </p><p class="bodytext"><strong>Tipp:</strong> Manche Medikamente verursachen oder fördern eine Harninkontinenz. Dazu gehören Anticholinergika zur Behandlung von Atemwegserkrankungen oder Parkinson, muskelentspannende Mittel, indirekte Parasympathikomimetika oder Beruhigungsmittel. Mit der Ärzt*in sollte besprochen werden, ob diese Arzneimittel reduziert oder ersetzt werden können. </p><p class="bodytext"><strong>Blase oder Beckenboden trainieren </strong> </p><p class="bodytext">Auch Training kann bei einer Blasenschwäche helfen. Gestärkt werden dabei je nach Form der Blasenschwäche entweder die Blase selbst oder der Beckenboden. </p><p class="bodytext">Das <strong>Blasentraining</strong> hilft besonders gegen die Dranginkontinenz. Es zielt darauf ab, die Zeiträume zwischen den Toilettengängen zu verlängern. Zunächst versucht die Betroffene, nicht gleich beim ersten Anzeichen eines Harndrangs zur Toilette zu gehen. Schritt für Schritt wird der Gang zur Toilette immer länger verzögert. Hilfreich dabei sind Entspannungsübungen. Auf diese Weise vergrößert sich das Aufnahmevolumen der Blase, der Harndrang wird geringer und das Wasserlassen besser kontrolliert. </p><p class="bodytext">Intensives <strong>Beckenbodentraining </strong>ist dagegen die passende Maßnahme für eine Belastungsinkontinenz. Diese Übungen erlernt man am besten in einer Physiotherapie. Spüren Betroffene mit Belastungsinkontinenz ihre Beckenbodenmuskulatur nicht, kann die Elektrostimulation helfen. Dazu verschreibt die Ärzt*in spezielle Geräte, die über die Scheide oder den Dammbereich elektrische Impulse abgeben. </p><p class="bodytext"> <strong>Tipp:</strong> In die Scheide eingelegte Pessare stabilisieren die Harnröhre von innen. Sie helfen besonders bei unwillkürlichem Urinverlust durch körperliche Belastungen im Rahmen einer Belastungsinkontinenz. </p><p class="bodytext"><strong>Medikamente gegen Urinverlust </strong> </p><p class="bodytext">Wenn allgemeine Maßnahmen und Training nicht zum erwünschten Erfolg führen, sind stärkere Geschütze geboten. Leider gibt es wenig Hilfe aus dem Reich der Pflanzen. Zwar werden zur Linderung der Beschwerden zahlreiche Extrakte angeboten. Klinische Studien mit eindeutigen Daten zur Wirksamkeit fehlen in den meisten Fällen. Für Kürbissamen gibt es aus einer Beobachtungsstudie mit 117 Betroffenen Hinweise, dass sie Frauen mit überaktiver Blase helfen können. </p><p class="bodytext">Anders sieht das mit synthetischen Arzneimitteln aus. Für die Dranginkontinenz und die überaktive Blase gelten Muskarinrezeptor-Antagonisten als effektive Option. Sie verringern spontane Mikrobewegungen in der Blasenwandmuskulatur und reduzieren den Harndrang. Allerdings blockieren die Wirkstoffe nicht nur die Muskarinrezeptoren in der Blase, sondern im gesamten Organismus. Deshalb haben diese Substanzen auch zahlreiche Nebenwirkungen. Dazu gehören u.a. Mundtrockenheit, Sehstörungen und Verstopfung. Oxybutynin führt bei älteren Menschen sogar zu Verwirrtheit und Denkstörungen, vor allem wenn es abgeschluckt wird. </p><p class="bodytext">Einige Muskarinrezeptor-Antagonisten (z.B. Tolterodin) sollen beinahe nur auf die Blase wirken und so weniger Nebenwirkungen auslösen. Letzteres gilt auch für Präparate, deren Wirkstoff verzögert freigesetzt wird, sog. retardierte Arzneistoffe. </p><p class="bodytext">Eine neue Therapieoption gegen Dranginkontinenz und eine überaktive Blase ist Mirabegron. Die Substanz bindet an Betarezeptoren in der Harnblasenmuskulatur und entspannt dadurch die Blase. Eingesetzt wird Mirabegron, wenn Muskarinrezeptor-Antagonisten nicht ausreichend wirken. Sie sind auch bei älteren Menschen geeignet, weil sie seltener Verwirrtheit oder Denkstörungen auslösen. Als Nebenwirkung ist allerdings eine Erhöhung des Blutdrucks zu beachten. </p><p class="bodytext"> Ein Wirkstoff zur Behandlung der Belastungsinkontinenz ist das Antidepressivum Duloxetin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Es stärkt den Schließmuskel der Blase und erhöht ihr Fassungsvermögen. Dadurch kommt es seltener zu unwillkürlichem Urinverlust. Das hat allerdings auch bei Duloxetin seinen Preis: Typisch sind Nebenwirkungen im Verdauungstrakt wie Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung. Vor allem bei psychisch nicht gesunden Menschen soll der Wirkstoff aber auch vermehrt Angst und innere Unruhe auslösen. </p><p class="bodytext"><strong>Mit Operationen an die Blasenschwäche </strong> </p><p class="bodytext">Manchmal helfen auch Medikamente nicht ausreichend. Ist der Leidensdruck hoch, sind interventionelle oder operative Verfahren eine Option. </p><p class="bodytext"><strong>Interventionelle Verfahren</strong>. Bei der überaktiven Blase und bei der Dranginkontinenz kann die Ärzt*in den Wirkstoff Onabotulinumtoxin A in die Blase instillieren. Dadurch entspannt sich die Blasenmuskulatur und der Harndrang wird weniger. Die Wirkung setzt jedoch erst zwei Wochen nach dem Eingriff ein und hält nur einige Wochen bis Monate an. Eine weitere Option bei überaktiver Blase ist die sakrale Neuromodulation. Dabei wird eine Art Schrittmachers in die Blase eingesetzt. Dieser sendet sanfte elektrische Impulse an den Sakralnerv, der die Blase versorgt. Auf diese Weise lässt sich sowohl eine Überaktivität als auch eine Unteraktivität der Blasenmuskulatur kontrollieren. </p><p class="bodytext"><strong>Operationen.</strong> Die Belastungsinkontinenz kann auch relativ einfach mit einer Band- oder Schlingen-Operationen behandelt werden. Dabei wird das natürliche Band, das die Harnröhre in ihrer Position hält, durch ein künstliches Band verstärkt. Eine weitere Möglichkeit ist das Injizieren von Gel in den Bereich des Harnröhrenabgangs von der Blase. Es entsteht ein Polster, das den Blasenausgang besser verschließt. Manchmal empfehlen die Ärzt*innen auch das operative Anheben des Blasenhalses. Ist bei Männern eine vergrößerte Prostata die Ursache der Blasenschwäche, hilft deren komplette oder teilweise Entfernung. </p><p class="bodytext"> Quelle: <a href="https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-091" target="_blank">S2k-Leitlinie Harninkontinenz der Frau </a></p>

Haarige Probleme lösen

<p class="bodytext">Zu fettig, zu trocken, zu dünn – viele Frauen und Männern hadern mit ihren Haaren. Doch für die meisten Haarprobleme gibt´s eine Lösung. Die richtige Pflege, bewährte Hausmittel und spezielle Produkte aus der Apotheke bringen fast jeden Schopf auf Vordermann. </p><p class="bodytext"><strong>Hornstrang mit Fettfilm </strong> </p><p class="bodytext">Bis zu 140 000 Haare wachsen auf einem Menschenkopf. Die meisten Haare haben Blonde, die wenigsten mit ca. 85 000 Rothaarige. Jedes einzelne Haar setzt sich aus einer Haarwurzel und dem sichtbaren Haarschaft zusammen. Dieser besteht aus verhornten Zellen und wird von einem Film aus Proteinen und Fetten überzogen. Das macht gesundes Haar glänzend und geschmeidig. </p><p class="bodytext">Die eigentliche Aufgabe des Kopfhaars ist vor allem praktischer Natur: Es soll vor UV-Strahlung und Verletzungen schützen und verhindert ein zu schnelles Abkühlen des Kopfes. Daneben gilt volles und glänzendes Haar seit Jahrtausenden auch als Symbol für Gesundheit, Jugend und Kraft. Deshalb verwundert es nicht, dass sich die meisten Menschen schöne Haare wünschen. Doch die Realität sieht häufig anders aus. Viele Männer und Frauen haben mit Haarproblemen zu kämpfen. Dafür gibt es eine Menge Ursachen: Oft liegt es daran, dass die Kopfhaut gestresst ist - z. B. durch zu heißes? Föhnen der Haare, durch zu viel Sonne oder ungeeignete Pflegeprodukte. </p><p class="bodytext">Manchmal sind auch Erkrankungen oder körperliche Veränderungen daran schuld, dass Haare fettig, dünn oder strohig werden. Das ist z. B. der Fall bei einer Schwangerschaft oder in der Menopause. Auch bei Schilddrüsenfunktionsstörungen verändern sich die Haare. Schließlich können auch Medikamente Einfluss auf den Haarwuchs nehmen. Dazu gehören Kortison, die Antibabypille, bestimmte blutverdünnende Wirkstoffe und manche Antidepressiva. Die ausgeprägtesten Folgen hat die Chemotherapie, weil die Haare dabei häufig komplett ausfallen. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis: </strong>Auch psychischer Stress kann zu Problemen mit den Haaren führen. Das Stresshormon Cortisol hemmt beispielsweise das Haarwachstum. Außerdem setzen die den Haarfollikel umgebenden Nervenfasern bei Stress Neuropeptide frei, die entzündliche Reaktionen und Juckreiz auslösen. </p><p class="bodytext"><strong>Haarpflege ist eine Typenfrage</strong> </p><p class="bodytext"> Für gesunde und schöne Haare ist die richtige Pflege das A und O. Sie richtet sich nach dem Haartyp, der wiederum von der Kopfhaut abhängt. Im Idealfall ist die Kopfhaut ausreichend mit Fett versorgt. Häufiger liegt veranlagungsbedingt jedoch ein Zuviel oder Zuwenig vor. Dann werden zwei zwei Haartypen unterschieden: </p><p class="bodytext"><ul><li><strong>Seborrhoischer Haartyp</strong> (zu fettige Haare). An jeder Haarwurzel sitzt eine Talgdrüse, um das Haar mit Fett zu versorgen. Beim seborrhoischen Typ sind diese Talgdrüsen überaktiv. Die gesteigerte Talgproduktion macht Haare und Kopfhaut fettig, besonders im Bereich des Haaransatzes. </li><li><strong>Sebostatischer Haartyp</strong> (zu trockene Haare). Zu wenig aktive Talgdrüsen führen dazu, dass die Kopfhaut fettarm und trocken ist. In der Folge fehlt den Haaren der Glanz. Oft sehen sie strohig aus, es drohen Haarabbrüche und Spliss. </li></ul> </p><p class="bodytext">Ein falscher Umgang mit den Haaren oder ungeeignete Pflegeprodukte können den Zustand von Kopfhaut und Haaren verschlimmern. Zum Glück ist auch das Gegenteil der Fall: Mit der richtigen Pflege lässt sich fettigen oder trockenen Haare gut entgegenwirken. </p><p class="bodytext"><strong>Mit Spezialshampoo, Babypuder oder Brennnesseltee gegen Fett </strong> </p><p class="bodytext">Für die Reinigung von fettigem Haar gibt es eine Vielzahl von Shampoos. Sie enthalten meist waschaktive Tenside wie Alkylethersulfate, denen zur gezielten Pflege oft Kräuterextrakte zugesetzt werden. Diese sollen die Talgproduktion bremsen und das Nachfetten verzögern. Typische Zusätze sind Extrakte aus Eukalyptus, Brennnessel, Kamille, Minze und Zitrusfrüchten. Einige Shampoos enthalten auch Mineralien, Aktivkohle oder weiße Tonerde. Diese Substanzen nehmen überschüssiges Fett auf und senken ebenfalls die Talgproduktion. Spezielle Präparate gibt es in der Apotheke, z.B. von den Firmen Ducray und von Vichy. </p><p class="bodytext">Fettiges Haar darf man so oft waschen, wie man möchte. Der Mythos, dass häufiges Waschen die Talgproduktion anregt, ist längst überholt. Bei der Haarwäsche sollte man jedoch auf Folgendes achten: </p><p class="bodytext"><ul><li>Kopfhaut nicht zu grob massieren </li><li>lauwarmes Wasser nehmen </li><li>Wirkshampoo mit milden, pH-neutralen Shampoo im Wechsel anwenden </li><li>Haare möglichst an der Luft trocknen lassen </li><li>Föhnen nur mit niedrigster Stufe und reichlich Abstand zwischen Föhn und Haar. </li></ul> </p><p class="bodytext">Einige Hausmittel haben sich als Spülungen oder Kuren bei fettigem Haar bewährt. Dazu gehört in erster Linie Apfelessig. Zum Herstellen einer Spülung mischt man zwei Esslöffel Apfelessig auf einen Liter Wasser. Tee entfettet Haaransatz und Kopfhaut ebenfalls. Infrage kommen dafür Kamillen-, Brennnessel- und schwarzer Tee. </p><p class="bodytext">Auch Zitrusfrüchte helfen gegen fettige Haare. Dazu mischt man den Saft zweier Zitronen mit zwei Tassen lauwarmem Wasser und massiert die Flüssigkeit vorsichtig in die Kopfhaut. Nach fünf Minuten Einwirkungszeit wird der Zitronensaft gründlich ausgespült. Empfohlen werden zudem Kuren mit Heilerde. Nach Anrühren zu einem Brei trägt man diesen für 20 Minuten auf dem Kopf auf. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Wenn fettiges Haar ganz schnell auf Vordermann gebracht werden soll, bieten sich Trockenshampoos oder Babypuder an. Sie werden auf das trockene Haar gesprüht oder gepudert und saugen dort überschüssiges Fett auf. Anschließend muss man das Haar gründlich ausbürsten. </p><p class="bodytext"> <strong>Masken und sanfte Bürsten bei trockenen Haaren</strong> </p><p class="bodytext">Bei trockenen Haaren ist die Bildung des schützenden Fett- und Proteinfilms gestört. Feuchtigkeitsspendende Shampoos mit Panthenol oder Glykol versorgen in diesem Fall das Haar bei der Haarwäsche mit Feuchtigkeit. Rückfettende Substanzen legen sich wie ein Schutzfilm über den trockenen Haarschaft. Auch Proteinshampoos mit Kollagen oder Elastin empfehlen sich bei trockenen Haaren. Die passende Beratung und spezielle Produkte, z.B. von Linola, Madara oder Vichy, gibt es in der Apotheke. Sind nicht nur die Haare, sondern auch die Kopfhaut zu trocken, bieten sich Produkte mit Harnstoff (Urea) an. Bei sehr strapaziertem Haar helfen auch Pflegeprodukte mit kationischen Cellulose- oder Guarderivaten. </p><p class="bodytext">Ebenso wie bei fettigem Haar sollte auch bei trockenem Haar die Haarwäsche sanft erfolgen. Als zusätzlicher Schutz beim Föhnen können Föhnlotionen verwendet werden. Wichtig sind sanfte, weiche Bürsten, sie reiben weniger an den Haaren. </p><p class="bodytext">Als Hausmittel gegen trockenes Haar kommen natürliche Fette wie Oliven- oder Arganöl zum Einsatz. Sie befeuchten und pflegen Haaransatz und Kopfhaut. Dabei reichen wenige Öltropfen aus. Nach sanftem Einmassieren soll das Öl bis zu 30 Minuten einwirken und dann gründlich ausgewaschen werden. </p><p class="bodytext">Selbstgemischte Haarmasken oder Haarkuren helfen ebenfalls gegen trockene Haare und lindern gereizte Kopfhaut: </p><p class="bodytext"><ul><li><strong>Öl-Mischung</strong>: Einen Teelöffel Olivenöl, einen Teelöffel Honig und ein Eigelb mischen, auftragen, einwirken lassen und abwaschen. </li><li><strong>Quark</strong>: Zwei bis drei Esslöffel Quark (evtl. mit etwas Honig gemischt) in das feuchte Haar geben und nach fünf Minuten Einwirkzeit wieder auswaschen. </li><li><strong>Avocadomaske</strong>: Fruchtfleisch einer reifen Avocado zerdrücken und mit einem Teelöffel Olivenöl mischen. Brei im Haar verteilen, 30 Minuten einwirken lassen und ausspülen. Avocados sind besonders pflegend, weil sie Omega-3-Fettsäuren und Protein enthalten. </li></ul> </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis: </strong>Der Zustand von Kämmen und Bürsten wird bei der Haarpflege leicht vergessen. Um Haare und Kopfhaut zu schonen, sollten Zinken und Borsten abgerundet enden und keine scharfen Kanten aufweisen. Damit kein Fett und Schmutz auf dem Haar verteilt wird, müssen Kämme und Bürsten regelmäßig gereinigt werden – z. B. mit einem Shampoo. </p><p class="bodytext"><strong>Mehr Volumen für feines Haar </strong> </p><p class="bodytext">An feinem, dünnen Haar stören sich viele Menschen. Oft dünnt das Haar mit dem Älterwerden aus. Manchmal steckt auch ein Vitamin- oder Nährstoffmangel dahinter. Im Zweifel sollte man dies in der Arztpraxis abklären lassen. </p><p class="bodytext">Für die Pflege von dünnem Haar gilt: Weniger ist mehr. Shampoos oder Spülungen mit zu vielen pflegenden Zusätzen lassen dünnes Haar schnell strähnig werden. Spezielle Produkte für dünnes Haar setzen stattdessen auf volumenverstärkende Proteine oder kationische Polymere. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis: </strong>Mit einem geeigneten Haarschnitt wirkt dünnes Haar oft voluminöser. Zudem sollte man sich die Haarspitzen regelmäßig nachschneiden lassen, um ein Ausfransen zu verhindern. </p><p class="bodytext"><strong>Haare von innen stärken? </strong> </p><p class="bodytext">Um schönes und kräftiges Haar zu bilden brauchen Haarwurzeln zahlreiche Nährstoffe und Vitamine. Dazu gehören beispielsweise Biotin, Eisen, Kupfer, Selen, Vitamine A und D, Zink und Magnesium. Der Bedarf daran wird in der Regel durch eine ausgewogene Mischkost gedeckt. Vitamine und Mineralstoffen als Nahrungsergänzungsmittel fürs Haar einzunehmen ist meist überflüssig. </p><p class="bodytext">Manche Hersteller bieten für schönes Haar auch Präparate mit speziellen Inhaltsstoffen an. Dabei handelt es sich u.a. um Hirse, Lycopin, Taurin oder Grünteeextrakt. Ob diese Produkte die Qualität der Haare von innen verbessern, ist allerdings nicht belegt. </p><p class="bodytext"><strong>Tipp:</strong> Eisenmangel kann zu Haarausfall führen. Wer als Vegetarier*in auf Fleisch und Geflügel verzichtet, sollte auf eine ausreichende Zufuhr über Hülsenfrüchte und grünes Blattgemüse achten. </p><p class="bodytext"> <strong>Kopfhaut unter Spannung </strong> </p><p class="bodytext">In manchen Fällen bereitet die Kopfhaut mehr Probleme als die Haare. Wenn sie spannt, juckt und brennt, ist meist die Hautbarriere gestört. Ursache sind äußerliche Reize wie starke Sonne, zu heiße Kopfwäschen, das Tragen enger Mützen oder trockene Heizungsluft. </p><p class="bodytext">Mit passenden Pflegeprodukten wird die Hautbarriere gestärkt und der Juckreiz gelindert. Extra milde Shampoos gibt es ebenso wie kühlende Shampoos in der Apotheke. Letztere enthalten meist Polidocanol oder Menthol. Zusätzlich kann ein auf die Kopfhaut aufgetragenes Tonikum helfen. Entsprechende Produkte, z.B. von Dermasence oder Eucerin, sind ebenfalls in der Apotheke erhältlich. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Werden die Probleme innerhalb weniger Tage nicht besser, sollte eine Arztpraxis aufgesucht werden. Hinter spannender und juckender Kopfhaut können auch Hauterkrankungen wie die Schuppenflechte oder ein Pilzbefall stecken. </p><p class="bodytext">Quelle:&nbsp;Deutsche Apotheker Zeitung 2023; 13: 44</p>

Keine Chance der Migräne!

<p class="bodytext">Wer unter einer Migräneattacke leidet, möchte erstmal nur eines: Dass sie schnell wieder verschwindet. Mit modernen Wirkstoffen gelingt das heutzutage in den meisten Fällen auch. Sind die Attacken besonders schwer oder besonders häufig, gibt es mehrere Möglichkeiten, ihnen vorzubeugen. </p><p class="bodytext"><strong>Volkskrankheit mit üblen Folgen </strong> </p><p class="bodytext">Die Migräne ist eine sehr häufige Kopfschmerzerkrankung: Weltweit sollen mehr als eine Milliarde Menschen darunter leiden. In Deutschland sind laut Robert Koch-Institut 15% der Frauen und 6% der Männer von Migräne betroffen, manche Fachleute gehen sogar von noch höheren Zahlen aus. </p><p class="bodytext">Die immer wiederkehrenden Migräne-Attacken sind gekennzeichnet durch einseitige, pulsierende Kopfschmerzen unterschiedlicher Stärke, die sich bei Bewegung oft verschlimmern. Vielfach gehen sie mit Übelkeit und Erbrechen einher, und viele Betroffene sind überempfindlich gegenüber Licht, Geräusche oder Gerüche. Die Anfälle dauern zwischen vier Stunden und drei Tage. Auch die Häufigkeit der Migräneanfälle variiert erheblich: Manche Menschen haben nur wenige Attacken im Jahr, manche mehr als 15 Migränetage im Monat (dann spricht man von einer chronischen Migräne). </p><p class="bodytext">Bis zu 30% der Betroffenen erleben zusätzlich zu den Kopfschmerzen auch Auraphänomene. Eine Aura ist eine im Gehirn ausgelöste, sich wellenförmig über die Hirnrinde ausbreitende Nervenzellaktivität. Sie macht sich bemerkbar durch beidseitiges Doppeltsehen oder andere Sehstörungen wie </p><p class="bodytext"><ul><li>Einschränkungen des Gesichtsfelds, d.h., das Sehfeld wird kleiner und das räumliche Sehen erschwert</li><li>Flimmersehen </li><li>blendende, sich ausbreitende Kreise oder Vierecke sowie </li><li>Lichtblitze oder Sterne vor den Augen. </li></ul> </p><p class="bodytext">Weitere mögliche Auraphänomene sind Probleme beim Sprechen, Tinnitus, Schwindel oder Bewusstseinsstörung. In seltenen Fällen leiden Migränepatient*innen auch nur unter Auraphänomenen, ohne dabei Kopfschmerzen zu haben. </p><p class="bodytext">Migräne ist eine überaus belastende chronische Erkankung. Die Lebensqualität der Betroffenen ist durch die Attacken oft stark eingeschränkt, viele müssen aufgrund der Anfälle immer wieder Verabredungen und Termine absagen und ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück. </p><p class="bodytext"> <strong>Hinweis:</strong> Nicht nur die persönlichen, auch die sozioökonomischen Folgen der Erkrankung sind enorm. Durch Migräne gehen jährlich etwa 1,9 Milliarden Arbeitsstunden verloren. Insgesamt kostet das die deutsche Volkswirtschaft durchschnittlich 146 Milliarden Euro Wertschöpfung pro Jahr. </p><p class="bodytext"><strong>Wo kommt die Migräne her?</strong> </p><p class="bodytext"> Ganz sind die Vorgänge hinter den Migräneattacken noch nicht geklärt. Dreh- und Angelpunkt scheint aber die Freisetzung verschiedener Botenstoffe im Gehirn zu sein. Dazu gehören das vasoaktive intestinale Peptid (VIP), die Schmerzsubstanz P und das Calcitonin-Gene-Related Peptide (CGRP). Diese sorgen dafür, dass sich die Blutgefäße in den Hirnhäuten entzünden. Weil die Blutgefäße mehr durchblutet werden, muss sich die entzündete Gefäßwand dehnen. Das wiederum wird im Gehirn als pulsierender Kopfschmerz wahrgenommen. </p><p class="bodytext">Heute geht man davon aus, dass die Migräne auf einer genetischen Veranlagung beruht. Vererbt ist also, dass die Nervenzellen der Patient*innen auf bestimmte Reize oder Zustände mit einer Migräneattacke reagieren. Häufige Auslöser sind Aufregung, Stress und Schlafmangel. Es gibt aber individuell viele weitere Trigger, dazu gehören z.B. </p><p class="bodytext"><ul><li>Lebensmittel (z.B. Kaffee, Cola, Alkohol, Schokolade und Käse) </li><li>Zeitverschiebungen und Veränderungen des Schlaf-Wach-Rhythmus </li><li>Wetterumschwünge, Föhnwetter </li><li>Hormoneinnahme (z.B. die Pille) </li><li>Gerüche, z.B. Zigarettenrauch, Parfüm oder Lösungsmittel </li><li>ungewohnte körperliche Anstrengung </li><li>Weglassen von Mahlzeiten </li><li>Lichtreize von außen wie flackerndes Licht oder Neonlicht. </li></ul> </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis: </strong>Bei empfindlichen Personen kann der plötzliche Wechsel zwischen Arbeitsstress und Entspannung Migräneanfälle auslösen. Dieses Phänomen ist unter der Bezeichnung „Feiertagsmigräne“ bekannt. </p><p class="bodytext"><strong>Akute Attacke bekämpfen </strong> </p><p class="bodytext">Ruhe und das Abschirmen von äußeren Reizen sind die ersten Maßnahmen bei einer akuten Migräne. Medikamentös gibt es verschiedene Optionen, die zum Teil ärztlich verschrieben werden müssen. Oft haben die Betroffenen erst nach einigen Versuchen „ihr“ Migränemedikament identifiziert. Das wichtigste ist dann, bei einer Attacke so früh wie möglich und hochdosiert zu behandeln. </p><p class="bodytext"><strong>Schmerzmittel.</strong> Leichte bis mittelschwere Attacken lassen sich häufig mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) beherrschen. Günstig sind Brausetabletten, weil der Körper den in Wasser gelöste Wirkstoff schnell aufnimmt. Empfohlen werden z.B. 1000 mg Acetylsalicylsäure (ASS) oder 200 – 600 mg Ibuprofen, jeweils als Einmalgabe. Wer keine NSAR nehmen darf, kann sich mit Paracetamol behelfen. Auch empfohlen, aber etwas weniger wirksam sind Diclofenac-Kalium-Kombinationen oder Kombinationspräparate mit ASS, Paracetamol und Koffein. </p><p class="bodytext"><strong>Triptane.</strong> Bei mittelschweren bis schweren Migräneattacken sind Triptane die Therapie der Wahl. Das Gleiche gilt, wenn die Kopfschmerzen nicht auf die oben genannten Schmerzmittel ansprechen. Triptane verengen die erweiterten Gefäße wieder. Außerdem hemmen sie die entzündungsfördernden Botenstoffe und die Weiterleitung von Schmerzimpulsen in den Nerven. In Deutschland sind sechs Triptane zugelassen, sie werden als Tabletten, Nasenspray, Zäpfchen oder als Spritze verabreicht. Am schnellsten und stärksten soll gespritztes Sumatriptan wirken. Zum Schlucken sind laut Migräneleitlinie Eletriptan und Rizatriptan am schnellsten wirken. Naratriptan und Almotriptan sind als Tabletten auch rezeptfrei verfügbar. </p><p class="bodytext">Die Einnahme von Triptanen sollte nur nach Rücksprache mit der behandelnden Ärzt*in erfolgen. Da sie an Gefäßen verengend wirken, sind sie für Menschen mit Gefäßerkrankungen tabu. Sie kommen also zum Beispiel nicht in Frage bei koronarer Herzkrankheit, peripherer Verschlusskrankheit (pAVK) oder Bluthochdruck. Auch während der Schwangerschaft und Stillzeit sollten Triptane nicht eingesetzt werden. </p><p class="bodytext"><strong>Neue Medikamente. </strong>Auch für Menschen, bei denen Triptane keine Besserung bringen, gibt es dank neuer Wirkstoffe Hoffnung. Rimegepant blockiert den CGRP-Rezeptor, und verhindert damit, dass der entzündungsfördernde Botenstoff CGRP an den Gefäßen andocken kann. Lasmiditan wirkt ähnlich wie Triptane, verengt aber die Gefäße nicht. Es könnte deshalb auch für Patient*innen mit Gefäßerkrankungen eine Option sein. Beide Wirkstoffe sind in Deutschland aber leider noch nicht erhältlich (Stand Januar 2023). </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis: </strong>Manchmal hilft es auch, Migränemittel nach ärztlicher Rücksprache zu kombinieren. Möglich ist beispielsweise die Kombination aus Triptan und einem lang wirkenden NSAR wie Naproxen. </p><p class="bodytext"><strong>Akute Migräne alternativ lindern </strong> </p><p class="bodytext">Neben Triptanen und Schmerzmitteln gibt es auch nicht-medikamentöse Verfahren, mit denen sich eine akute Migräneattacke lindern lässt: </p><p class="bodytext"><ul><li> Durch ein spezielles Blut-Volumen-Puls-Biofeedback können Migränepatient*innen lernen, akuten Attacken Einhalt zu gebieten. Dabei wird im schmerzfreien Intervall mithilfe eines kleinen Sensors an der Schläfe gezielt trainiert, die Schläfenarterie zu verengen. </li><li>Ebenfalls erfolgreich bei der Behandlung von Migräneattacken ist die Stimulation des Nervus trigeminus. Dazu klebt man eine Reizelektrode auf die Stirn und koppelt einen kleinen Impulsgeber für etwa eine Stunde magnetisch an. </li><li>Manchen Betroffenen hilft auch die Akupunktur im akuten Anfall. Nicht aller Studien konnten hier aber tatsächlich einen Effekt nachweisen. </li></ul> </p><p class="bodytext">In einigen Fällen lassen sich Migränekopfschmerzen und ihre Nebenerscheinungen überhaupt nicht selbst beherrschen. Ein solcher Zustand gilt als Notfall, der in ärztliche Hände gehört. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis: </strong>Gegen die begleitende Übelkeit helfen Metoclopramid und Domperidon. Diese Präparate haben auch den Vorteil, dass sie den Magen beruhigen und dadurch die Aufnahme geschluckter Schmerzmittel und Triptane verbessern. </p><p class="bodytext"><strong>Vorbeugender Lebenssti</strong>l </p><p class="bodytext">Generell profitieren Patient*innen mit Migräne von einem achtsamen Lebensstil. Dazu gehören etwa das regelmäßige Üben von Entspannungsverfahren oder das Achtsamkeitstraining. Auch die kognitive Verhaltenstherapie soll Betroffenen helfen, die Migräne und die damit verbundenen Belastungen zu reduzieren. Wer seine Trigger (siehe oben) kennt, kann diese meiden und dadurch Migräneattacken vorbeugen. </p><p class="bodytext">Eine weitere sehr effektive Vorbeugungsmaßnahme ist regelmäßiger Sport. Dabei ist jede Bewegung von Vorteil. Besonders gut scheinen aber regelmäßiges Krafttraining und begleitendes Ausdauertraining zu wirken. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis: </strong>Mit Nahrungsergänzungsmitteln lässt sich – obwohl häufig propagiert – wenig gegen Migräneattacken ausrichten. Es gibt jedoch Hinweise, dass bestimmte Ernährungsweisen hilfreich sein können. Dazu gehört vor allem der Verzicht auf Zucker und Fett, evtl. auch die ketogene Diät. </p><p class="bodytext"><strong>Migräneprophylaxe mit Medikamenten</strong> </p><p class="bodytext"> Bei sehr stark betroffenen Patient*innen kann es sinnvoll sein, der Migräne durch die dauerhafte Einnahme von Medikamenten vorzubeugen. Das ist etwa der Fall bei mehr als drei Attacken pro Monat, bei besonders schweren und langen Anfällen oder wenn die Akuttherapie nicht hilft. Die Präparate können – jeweils in unterschiedlichem Ausmaß - die monatlichen Migränetage reduzieren. Zu einer kompletten Migränefreiheit führt keines der Präparate, es verlängern sich nur die Pausen zwischen den Attacken. </p><p class="bodytext">Wichtig zu wissen: Es dauert oft einige Zeit, bis die Prophylaxe greift. Zur endgültigen Beurteilung der sollte man deshalb mindestens drei Monate abwarten, bei chronischer Migräne empfehlen Fachleute auch einen Therapieversuch über bis zu sechs Monaten. </p><p class="bodytext">Die Dauer der Prophylaxe variiert individuell je nach Ausmaß der Beschwerden und der verwendeten Substanz. Flunarizin soll beispielsweise nicht länger als sechs Monate eingenommen werden. Alle anderen Wirkstoffe werden mindestens neun Monate lang gegeben. Danach ist ein Auslassversuch möglich, d.h. man setzt das Medikament wieder ab und beobachtet, ob die Patient*in auch ohne die vorbeugende Therapie auskommt. </p><p class="bodytext">Welches Präparat am besten geeignet ist, entscheiden Betroffene und Ärzt*in gemeinsam. Wichtig sind dabei auch eventuelle Begleiterkrankungen. Leidet die Patient*in z.B. an Bluthochdruck, gibt man häufig Betablockern den Vorzug. Besteht zusätzlich eine Depression, versucht man es gern mit Antidepressiva. Bei Migräne und Epilepsie bieten sich dagegen Antiepileptika wie Valproinsäure an. </p><p class="bodytext"><strong>Traditionelle Migräneprophylaktika. </strong>Zu den Klassikern gehören Betablocker, vor allem Propanolol und Metoprolol. Daneben werden auch Flunarizin, das Antidepressivum Amitryptilin, und die Antiepileptika Topiramat und Valproinsäure zur Prophylaxe der Migräne eingesetzt. Eine weitere Option ist die Injektion des muskelentspannenden Wirkstoffs Onabotulinumtoxin (Botox) in bestimmte Bereiche der Schädelmuskulatur. </p><p class="bodytext"><strong>Antikörper gegen CGRP.</strong> Seit einigen Jahren gibt es Antikörper, die den Botenstoff und „Migräneverursacher“ CGRP oder dessen Rezeptor hemmen. Zugelassen zur Migräneprophylaxe sind inzwischen vier Wirkstoffe. Sie alle sind laut Migräneleitlinie gut verträglich und wirksamer als ein Scheinmedikament. Erenumab, Fremanezumab und Galcanezumab werden unter die Haut gespritzt, ihre Wirkung setzt meist nach bis zu zwei Wochen ein. Eptinezumab gibt die Ärzt*in direkt in die Vene, sein Vorteil ist deshalb eine etwas schnellere Wirksamkeit. </p><p class="bodytext">Etliche Menschen dürfen diese Antikörper allerdings nicht einnehmen. Dazu gehören diejenigen mit Gefäßerkrankungen wie koronare Herzerkrankung, Schlaganfall, pAVK (periphere arterielle Verschlusskrankheit, auch Schaufensterkrankheit genannt) oder einem Morbus Raynaud. Auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) sind die Antikörper kontraindiziert. Schwangere, Stillende oder Frauen, die nicht (ausreichend) verhüten, dürfen das Medikament ebenfalls nicht erhalten. </p><p class="bodytext"><strong>Rimegepant. </strong>Rimegepant kann Migräneattacken möglicherweise ebenfalls vorbeugen, so die aktuellen Migräneleitlinien. Sein großer Vorteil: Das Medikament muss nicht gespritzt, sondern kann einfach geschluckt werden. Wo sich die zugelassene, aber in Deutschland noch nicht erhältliche (Stand Januar 2023) Substanz in der Praxis einreiht, ist allerdings noch ungewiss. </p><p class="bodytext">Vergleichsstudien, welches Präparat am besten wirkt, gibt es kaum. In einer Studie erwies sich Erenumab als effektiver und besser verträglich als Toparimat. In einer anderen Studie waren Propanolol und Topiramat vergleichbar effektiv zur Vorbeugung bei chronischer Migräne. Rimegepant wiederum soll etwas weniger wirksam sein als Migräne-Antikörper. Letztendlich wird ebenso wie bei der Therapie der akuten Migräne die Patient*in durch Therapieversuche herausfinden, welches Präparat für sie am geeignetsten ist. </p><p class="bodytext"> <strong>Hinweis:</strong> Ein wichtiges Instrument zur Beurteilung von Therapieerfolg und Krankheitsaktivität ist das Kopfschmerztagebuch. Dafür gibt es inzwischen als praktische Variante auch zahlreiche Apps fürs Smartphone. </p><p class="bodytext"><strong>Nervenblockaden und Muskeldurchtrennung </strong> </p><p class="bodytext">Wenn Medikamente zur Vorbeugung gegen chronische Migräne nicht helfen, kann man auch direkt auf die schmerzleitenden Nerven einwirken (interventionelle Verfahren). Die Ärzt*innen blockieren die Nerven z.B, indem sie in unmittelbarer Nähe lokale Betäubungsmittel oder Kortison spitzen. Manchmal entscheiden sich die Ärzt*innen aber auch dazu, die Nerven elektrisch zu stimulieren. Weitere Verfahren wie die Durchtrennung perikranieller (den Schädel umgebender) Muskeln oder das Einpflanzen stimulierender Elektroden in bestimmte Gehirnregionen (z.B. das Ganglion sphenopalatinum) werden heute nicht mehr empfohlen. </p><p class="bodytext">Quelle: <a href="https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-057" target="_blank">Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2022, DGN und DMKG </a></p>

So kommt die Arznei ins Kind

<p class="bodytext">Auch Säuglinge oder Kleinkinder benötigen manchmal Medikamente. Dabei ist es für die Eltern oft gar nicht so einfach, das Arzneimittel ins Kind zu bekommen. Doch egal ob Zäpfchen, Augentropfen oder Hustensaft - es gibt eine Menge Tipps, wie das besser klappt. </p><p class="bodytext"><strong>Säfte und Lösungen richtig dosieren </strong> </p><p class="bodytext">Medikamente gibt es in den unterschiedlichsten Verabreichungsformen. Aber alle haben eines gemeinsam: Irgenwie müssen sie ins Kind. Die meisten Arzneimittel für Kinder und Säuglinge sind zum Schlucken. Weil auch Kinderärzt*innen wissen, dass Tabletten oft schwer zu verabreichen sind, verordnen sie häufig Lösungen, Suspensionen oder Säfte. </p><p class="bodytext">Schulkinder nehmen die flüssigen Arzneimittel am besten mit einem Löffel oder dem meist beigelegten Dosierlöffelchen ein. Bei kleinen Kindern gestaltet sich dies manchmal schwierig. Eine gute Option sind dann Einmalspritzen. Damit lassen sich Saft oder Lösungen gut an den Geschmacksknospen der Zunge vorbei in die Backentasche spritzen. Das sollte man allerdings langsam tun, sonst wird es für das Kind unangenehm. Wichtig: Danach muss das Kind reichlich Wasser oder Babytee nachtrinken, damit die Arznei auch schnell den Magen erreicht. Für Säuglinge gibt es in der Apotheke spezielle Messbecher mit Medikamentensaugern. Damit können sie die Medizin wie Milch oder Tee trinken. Eltern sollten darauf achten, dass das Kind den Sauger schnell und vollständig entleert und nicht während des Saugens einschläft. </p><p class="bodytext">Doch nicht nur die Verabreichung, auch die Dosierung von Säften und Lösungen ist manchmal knifflig. Kleine Kinder benötigen oft nur einen halben oder gar einen Viertel des beigelegten Messbechers oder Messlöffels. Beim Abmessen kommt es leicht dazu, dass zuviel oder zu wenig Wirkstoff gegeben wird. Auch hier hilft eine Einmalspritze: Mit ihr kann man die gewünschte Menge Milliliter-genau abmessen. Wer unsicher ist, lässt sich in der Apotheke eine Einmalspritze an der passenden Stelle mit einem wasserfesten Stift markieren. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Bittere Wirkstoffe sind oft eine besondere Herausforderung. Deswegen mischen viele Hersteller den Medikamenten Geschmacksstoffen bei. Muss das Medikament über viele Tage hinweg eingenommen werden, entwickeln manche Kinder jedoch eine Aversion gegen den künstlichen Geschmack. Dann kann die Ärzt*in oft den gleichen Wirkstoff, aber in einem Präparat mit anderem oder besser gar keinem Geschmack verordnen. </p><p class="bodytext"><strong>Herausforderung Trockensaft</strong> </p><p class="bodytext"> Bei der Verabreichung von Trockensäften ist meist schon die richtige Zubereitung gar nicht so leicht. Denn hier müssen die Eltern die Flüssigkeit aus Pulver oder Granulat selbst herstellen. Dabei gibt es einiges zu beachten: </p><p class="bodytext"><ul><li>Vor der Zugabe von Wasser das Pulver oder Granulat durch etwas Schütteln leicht auflockern.</li><li>Keine Milch, Säfte oder Tee zur Herstellung verwenden. Sie könnten die Wirkung der Arznei aufheben oder verändern.</li><li>Wasser vorsichtig zufüllen und das vollständige Auflösen und Absetzen des Schaums abwarten. Erst danach das restliche Wasser bis zur Eichmarke einfüllen.</li><li>Wenn abgekochtes Wasser verwendet wird, dieses erst auf Zimmertemperatur abkühlen lassen, da sonst der Wirkstoff durch die Hitze zerstört werden kann.</li><li>Flasche nicht unter dem Wasserhahn auffüllen, da sie auf diese Weise leicht überläuft. </li></ul> </p><p class="bodytext">Der zubereitete Trockensaft muss im Kühlschrank gelagert werden. Damit man ihn besser dosieren kann, sollte man ihn zum Anwärmen einige Zeit vor Verabreichung herausnehmen. Wenn sich die Lösung entmischt hat, rollt man die Flasche zwischen den Händen hin und her. Schütteln ist verboten, dadurch bildet sich Schaum. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Auch Brausetabletten darf man nicht mit Säften, Tee oder Milch einnehmen. Sie müssen in Leitungswasser komplett aufgelöst und gleich getrunken werden. </p><p class="bodytext"><strong>Zäpfchen ohne Schmerz verabreichen</strong> </p><p class="bodytext"> Aus gutem Grund verabreicht man Kindern Arzneimittel auch gern über den Po. Stimmt die Technik, ist das Ganze schmerzfrei und schnell erledigt. Auch hier gibt es einiges zu beachten: </p><p class="bodytext"><ul><li>Zäpfchen in der Hand oder in warmem Wasser kurz anwärmen, dann gleiten sie besser.</li><li>Kinder legt man fürs Einführen des Zäpfchens auf die Seite (das obere Bein etwas angewinkelt). Säuglinge kann man stattdessen auch auf den Bauch legen.</li><li>Kinder zum tiefen Atmen auffordern. Beim Ausatmen das Zäpfchen einführen. </li><li>Zäpfchen mit dem stumpfen Ende voran vorsichtig in den Anus schieben. Dann rutschen sie nicht so leicht wieder aus dem Darm heraus. Wahrscheinlich, weil sich der Anus hinter dem spitzen Ende besser schließen kann.</li><li>Ängstliche Kinder dabei mit einer Decke zudecken. </li></ul> </p><p class="bodytext">Ganz ähnlich funktioniert es auch, wenn statt Zäpfchen Miniklistiere in den Po müssen. Dabei wird eine in einem kleinen Ballon befindliche Arznei über ein Applikatorrohr in den Darm „gespritzt“. Bei Kleinkindern reicht es, das kleine Plastikrohr etwa zweieinhalb Zentimeter in den Analkanal einzuführen. Dann drückt man auf den Füllkörper, um die Arznei zu entleeren, und zieht das Rohr mit gedrücktem Füllkörper aus dem Analkanal zurück. </p><p class="bodytext">Ob Zäpfchen oder Miniklistier: Ist der Wirkstoff im Darm, sollte man die Pobacken des Kindes leicht zusammendrücken, damit nichts wieder rausflutscht. Ob wirklich alles drin geblieben ist, muss man zudem nach einigen Minuten überprüfen. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Ein Zäpfchen mit Creme oder Gel gleitfähiger zu machen ist nicht nur überflüssig (durch die Wärme rutschen sie gut von alleine), sondern auch noch falsch: Auf diese Weise wird der Wirkstoff von der Darmschleimhaut nicht mehr so gut aufgenommen. </p><p class="bodytext"><strong>Augentropfen – eine Kunst </strong> </p><p class="bodytext">Die Verabreichung von Augentropfen ist bei Säuglingen und Kleinkindern besonders schwierig. Viele Kinder mögen das Herabziehen des Unterlides und das Einträufeln in den Bindehautsack überhaupt nicht und wehren sich heftig dagegen. Expert*innen empfehlen folgendes Vorgehen: </p><p class="bodytext"><ul><li>Kind flach (ohne Kopfkissen!) auf den Rücken legen und die Augen schließen lassen. </li><li>Bei geschlossenem Auge die Arznei in den Innenwinkel des Auges tropfen.</li><li>Öffnet das Kind dann im Liegen die Augen, fließt der Tropfen von selbst in den Bindehautsack. Das klappt noch besser, wenn man vorsichtig das Unterlid in Richtung Wange zieht. </li></ul> </p><p class="bodytext">Bei Augensalben ist für Kinder meist besonders unangenehm, dass danach für längere Zeit die Sicht behindert ist. Besser ist, wenn die Kinder die Augen einfach für einige Minuten geschlossen halten. Das fällt ihnen leichter, wenn man dabei eine Geschichte vorliest oder sie mit einem Hörbuch ablenkt. </p><p class="bodytext"><strong>Nase befreien – aber richtig </strong> </p><p class="bodytext">Verstopfte Nasen sollten bei Säuglingen und Kleinkindern nicht mit Sprays, sondern mit Nasentropfen befreit werden. Grund dafür ist, dass das Einziehen des Sprühstoßes erst ab dem Schulalter gut koordiniert werden kann. Außerdem empfinden kleine Kinder den von anderen durchgeführten Sprühstoß in die Nase oft als unangenehm. Besser sind also Nasentropfen. Auch hier gibt es einige Tipps für die erfolgreiche Verabreichung: </p><p class="bodytext"><ul><li>Nase erst von Schleim befreien. Bei zähflüssigem Sekret dieses zunächst mit Meersalz-Nasentropfen verflüssigen. </li><li>Danach einen Nasensauger an der Öffnung des Nasenlochs positionieren und dabei den Ball zusammendrücken. </li><li>Das andere Nasenloch des Kindes zuhalten (z.B. indem man das Kind im Arm hat, den freien Arm um den Kopf legt und mit den Fingern vorsichtig den Nasenflügel andrückt). </li><li>Den Griff um den Ball des Saugers langsam lockern. Auf diese Weise saugt der Unterdruck den Schleim aus dem Nasengang. Das andere Nasenloch genauso behandeln. </li><li>Kind danach so hinlegen, dass der Kopf etwas tiefer ist als die Schultern.</li><li>Pipette oder Dosiertropfer etwa einen halben Zentimeter in das Nasenloch einführen.</li><li>Nach dem Eintropfen die Pipette mit zusammengedrücktem Gummibalg zurückziehen. </li><li>Damit sich die Tropfen im Nasengang besser verteilen, können ältere Kinder im Liegen den Kopf vorsichtig hin und her bewegen. </li></ul> </p><p class="bodytext">Der Nasensauger muss nach jeder Benutzung gründlich mit warmem Wasser gesäubert werden. Auch die Öffnung der Pipette ist vorsichtig mit einem trockenen Taschentuch abzuwischen. Überhaupt sind Nasentropfen nach dem Öffnen nur eine begrenzte Zeit haltbar. Das gilt auch für Einzeldosispipetten nach dem Aufmachen des Aluminiumbeutels. Die Haltbarkeit wird meist auf den Fläschchen angegeben, im Zweifel hilft die Apotheker*in. </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis:</strong> Damit es nicht zu Infektionen kommt, dürfen Nasentropfen (wie auch Augen- und Ohrentropfen) immer nur von derselben Person benutzt und nicht mit anderen geteilt werden. </p><p class="bodytext"><strong>Ohrentropfen perfekt applizieren </strong> </p><p class="bodytext">Sollen Kinder oder Säuglinge Ohrentropfen erhalten, müssen diese vorher unbedingt auf Körperwärme gebracht werden. Denn kalte Flüssigkeit ist ein starker Reiz im Ohr und kann Schwindel und Schmerzen auslösen. Am besten gelingt das Aufwärmen, indem man das Fläschchen für ein paar Minuten in die Hosentasche steckt oder in der Hand festhält. Das korrekte Einträufeln funktioniert so: </p><p class="bodytext"><ul><li>Kind in die Seitenlage bringen.</li><li>Beim Säugling die Ohrmuschel vorsichtig nach hinten-unten, bei Kindern über drei Jahren nach oben und zurück ziehen. </li><li>Ohrentropfen einträufeln. </li><li>Das Kind fünf Minuten in Seitenlage belassen, damit die Tropfen tief in den Gehörgang vordringen. </li><li>Währenddessen den Knorpel an der Mündung des Gehörgangs vorsichtig mit leichtem Druck nach oben und nach unten schieben, das beschleunigt die Verteilung. </li></ul> </p><p class="bodytext"><strong>Hinweis: </strong>Zum Schutz der Wäsche darf das behandelte Ohr keinesfalls mit Watte zugestopft werden. Eine solche feuchte Kammer begünstigt die Vermehrung von Bakterien und Pilzen. Wenn überhaupt, dann kann man etwas Mull oder Watte locker auf das Ohr legen. </p><p class="bodytext"><strong>Äußere Wirkstoffe richtig anwenden </strong> </p><p class="bodytext">Werden Säuglinge und Kleinkinder mit medizinischen Cremes, Salben und Gelen behandeln, erfordert dies von den Eltern große Aufmerksamkeit. Nach dem Auftragen der Wirkstoffe müssen sie darauf achten, dass die Kleinen die Creme nicht an ihre Hände bekommen und dann auf andere Körperbereiche oder die Augen übertragen. Manche Mittel wie beispielsweise Lösungen gegen Kopfläuse dürfen nur über eine begrenzte Dauer einwirken. Dabei müssen die Kinder die ganze Einwirkzeit unter Aufsicht sein. </p><p class="bodytext">Vorsichtig mit Cremes und Salben sollte man auch sein, wenn das Kind gebadet wurde. In der ersten Stunde danach ist die Haut vermehrt durchblutet und die Hornschicht aufgequollen. Beides führt dazu, dass Wirkstoffe leichter aufgenommen werden und in der Haut zu hohe Konzentrationen erreichen können. Zwischen einem Bad und dem Auftragen von z.B. Kortisoncremes oder Calcineurin-Inhibitoren sollte deshalb mindestens eine Stunde Zeit liegen. </p><p class="bodytext">Für Babys mit Hauterkrankungen empfehlen Ärzt*innen oft spezielle Ölbäder. Weil Seifen die rückfettende Wirkung dieser Bäder beeinträchtigen, reinigt man den Windelbereich des Babys besser davor. Ölbäder dürfen auch nicht wärmer als 36 ° bis 37 °C sein und die Badedauer nur wenige Minuten betragen. Damit der heilende Ölfilm auf der Haut des Kindes erhalten bleibt, sollte man nach dem Bad die Haut nicht abtrocknen, sondern nur vorsichtig abtropfen. </p><p class="bodytext">Quelle: DAZ 2022, 24 :36 </p>

Pflegeversicherung

<p class="bodytext">Aufgrund der wachsenden Zahl älterer und hochbetagter Menschen, mit der auch das Lebensrisiko „Pflegebedürftigkeit“ steigt, wurde 1995 die <strong>Pflegeversicherung</strong> eingeführt. Das Pflegeversicherungsgesetz ist neben der Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung die fünfte eigenständige Säule der Sozialversicherung. Die Pflegeversicherung soll das finanzielle Risiko einer Pflegebedürftigkeit absichern und dem Pflegebedürftigen die notwendigen Hilfen ermöglichen. Pflegeleistungen nach dem PflegeVG kann jeder Bedürftige beantragen, der Mitglied einer gesetzlichen Krankenversicherung ist. Träger der Pflegeversicherung sind die Pflegekassen. Ihre Aufgaben werden von den gesetzlichen Krankenkassen wahrgenommen. </p><p class="bodytext">Für Privatversicherte besteht die Verpflichtung zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung. </p><p class="bodytext">Die Leistungen der Pflegeversicherung werden unterschieden nach Art der Leistung, d.&nbsp;h., ob der Pflegebedürftige zu Hause oder stationär versorgt wird, und nach der ermittelten Pflegestufe. Pflegebedürftige, die zu Hause gepflegt werden, können wählen zwischen Sachleistungen (d. h. sie werden komplett von einem ambulanten Pflegedienst versorgt), Geldleistungen (<strong>Pflegegeld</strong>, d.&nbsp;h. sie werden vollständig von Angehörigen oder Bekannten versorgt) oder einer Kombination aus Sach- und Geldleistungen (d. h. ein Teil der Versorgung wird von einem ambulanten Pflegedienst übernommen, ein anderer Teil von Angehörigen). Pflegebedürftige, die in einem Pflegeheim untergebracht sind, haben Anspruch auf vollstationäre Zuschüsse, die sich nach der ermittelten Pflegestufe ergeben. Der Zuschuss ist für pflegebedingte Aufwendungen und eine soziale Betreuung gedacht. Die Kosten für Unterbringung und Verpflegung müssen die Pflegebedürftigen selbst tragen. </p><p class="bodytext">Die Pflegeversicherung zahlt die Kosten für Grundpflege und Sachleistungen (wie z. B. Verbandsmaterial), während die Krankenkasse die Behandlungspflege (ärztlich verordnete Maßnahmen), die Kosten für Medikamente und ärztliche Behandlungen übernimmt. </p><p class="bodytext"> </p><p class="bodytext"><h4>Antragstellung und Gutachterbesuch </h4> </p><p class="bodytext">Um Leistungen aus der Pflegeversicherung zu erhalten, muss bei der Krankenkasse des Betroffenen ein Antrag auf Anerkennung der Pflegebedürftigkeit gestellt werden. Nach Möglichkeit sollte der Antrag gemeinsam mit dem betreuenden Pflegedienst oder dem Hausarzt ausgefüllt werden, denn diese Personengruppen verfügen über Erfahrungen im Umgang mit Krankenkassen und deren Formularwesen. </p><p class="bodytext">Jeder Antragsteller wird von Gutachtern des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) zu Hause, im Krankenhaus oder im Heim besucht. Der Besuch wird vorher angekündigt. Die Gutachter prüfen, ob der Betroffene bei den Verrichtungen des täglichen Lebens beeinträchtigt ist und in welchem Umfang. Sie prüfen die Möglichkeiten der medizinischen Rehabilitation und geben Empfehlungen zur Versorgung mit Hilfsmitteln. Beim MDK-Besuch sollte immer eine Vertrauensperson oder der betreuende Pflegedienst anwesend sein, denn viele Betroffene empfinden die Gutachtersituation als peinlich und versuchen, ihren Hilfebedarf zu bagatellisieren. </p><p class="bodytext">Auf der Basis des Gutachtens stellt die Pflegekasse das Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit und die Pflegestufe fest. Anhand dieser Einstufung erhält der Betroffene dann Leistungen aus der Pflegeversicherung. Die Leistungen werden rückwirkend ab dem Antragsdatum gewährt. </p>

Ambulante und häusliche Pflege

<p class="bodytext">Die ambulante Pflege ermöglicht alten Menschen, auch bei zunehmender Gebrechlichkeit in der gewohnten Umgebung zu leben. Bei der Auswahl des Pflegediensts gibt es viele Kriterien, die vorher geprüft werden sollten. Neben der Fachkompetenz spielt vor allem Sympathie eine Rolle, wenn dauerhafte Unterstützung in der eigenen Wohnung erforderlich wird. </p><p class="bodytext"><strong>Ambulante Pflegedienste</strong> können pflegende Angehörige bei den täglich zu bewältigenden pflegerischen Verrichtungen unterstützen oder spezielle Pflegetätigkeiten übernehmen. Grundlage hierfür ist ein Vertrag, in dem Leistungen und Kosten detailliert vereinbart werden. Die Pflegekasse übernimmt die Kosten, wenn der Hilfebedarf zuvor von einem Gutachter bestätigt wurde. Dank eines pauschal bewilligten Pflegegelds können Betroffene und deren Angehörige auch eine Kombination aus Angehörigenpflege, professioneller Pflege und zusätzlicher Haushaltshilfe vereinbaren (Pflegeversicherungsgesetz). Pflegedienste vermitteln übrigens auch Kontakte zu Anbietern von „Essen auf Rädern“, zu Fußpflegern, Frisören oder Begleitpersonen für Spaziergänge. </p><p class="bodytext">Eine hilfreiche Einrichtung für Pflegebedürftige ist das <strong>Hausnotrufsystem.</strong> Voraussetzung für die Installation ist lediglich ein Telefonanschluss in der Wohnung. Sowohl an der Basisstation des Telefons als auch an einem tragbaren Funkgerät ist eine Meldetaste eingerichtet, die bei Bedarf nur gedrückt werden muss, um Hilfe herbeizurufen. </p>

Demenz

<p class="bodytext"> </p><p class="bodytext"><strong>Demenz </strong>(chronische Verwirrtheit): Organisch bedingter, unumkehrbarer Verlust von geistigen Fähigkeiten mit fortschreitenden Gedächtnis-, Denk- und Wahrnehmungsstörungen, Persönlichkeitsveränderungen und körperlichem Abbau. </p><p class="bodytext">In Deutschland leben derzeit mehr als eine Million überwiegend ältere Demenzkranke, wobei die <strong>Alzheimer-Demenz</strong> (Alzheimer-Krankheit) und die <strong>vaskuläre Demenz</strong> (gefäßbedingte Demenz) am häufigsten sind. Die Demenz ist bis heute unheilbar und führt über teils jahrelange Pflegebedürftigkeit zum Tod des Kranken. </p><p class="bodytext">Die Demenz ist <i>keine</i> normale Alterserscheinung. Sie ist immer eine Erkrankung, deren wichtigster Risikofaktor allerdings das Alter ist. Leiden etwa 3 % der 70- bis 74-Jährigen an einer Demenz, so sind es bei den 80- bis 84-Jährigen schon über 13 % und bei den über 90-Jährigen etwa 35 %. Schätzungen gehen deshalb davon aus, dass sich die Zahl Demenzkranker in Deutschland in den kommenden Jahrzehnten auf über 2 Millionen erhöhen wird. Dies stellt den Einzelnen, seine Familie, das Gesundheitssystem und die Gesellschaft vor enorme Herausforderungen. </p><p class="bodytext">Neben dem Lebensalter wurden inzwischen zwei weitere unabhängige Risikofaktoren identifiziert: Übergewicht und Diabetes. </p><p class="bodytext">Die Demenz ist abzugrenzen von der akuten Verwirrtheit, die die gleichen Symptome hat, aber prinzipiell umkehrbar ist. </p><p class="bodytext"><h4><strong>Leitbeschwerden</strong></h4> </p><p class="bodytext"> </p><p class="bodytext">Die Leitbeschwerden müssen über mindestens sechs Monate bestehen: </p><p class="bodytext"><ul><li>Gedächtnisstörungen, wobei zunächst das Kurzzeitgedächtnis, also die Merkfähigkeit und Wiedergabe <i>neuer</i> Informationen betroffen ist </li><li>Beeinträchtigtes Urteils- und Problemlösungsvermögen, zuerst in komplexen, später auch in einfachen Situationen </li><li>Zeitliche und räumliche Orientierungsstörungen, Personen – auch nahe Verwandte – werden schließlich nicht mehr erkannt. </li><li>Sprach- und Wortfindungsstörungen </li><li>Unkonzentriertheit. </li></ul> </p><p class="bodytext">Stimmungsänderungen: </p><p class="bodytext"><ul><li>Passivität und Interesselosigkeit </li><li>Angst und Ängstlichkeit, weil vieles nicht mehr erkannt wird </li><li>Unangemessene Emotionen (emotionale Inkontinenz), wie plötzliche Aggression oder unbegründete Traurigkeit. </li></ul> </p><p class="bodytext">Verhaltensänderungen: </p><p class="bodytext"><ul><li>Reizbarkeit (vor allem bei Überforderung), Unruhe, Rückzugsverhalten </li><li>Sammelleidenschaft, Verstecken oder Verlegen von Gegenständen </li><li>Mehrfaches Wiederholen von Fragen, Sätzen oder Handlungen </li><li>Bewegungsdrang und -störung </li><li>Harn- oder Stuhlinkontinenz. </li></ul> </p><p class="bodytext"><h4><strong>Wann zum Arzt</strong> </h4> </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke">In den nächsten Wochen, wenn </span>Sie bei sich oder Ihrem Angehörigen eine oder mehrere der Leitbeschwerden bemerken. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke">In den nächsten Tagen, wenn</span> sich die geistigen Fähigkeiten rasch verschlechtern. </p><p class="bodytext"><h4><strong>Die Erkrankung </strong></h4> </p><p class="bodytext">Weltbekannte Persönlichkeiten rücken das Thema Demenz immer (wieder) ins Licht der Öffentlichkeit. Ronald Reagan bekannte sich 1994 offen zu seiner Krankheit, an der er 2004 starb. Auch der Geiger Helmut Zacharias, der Politiker Herbert Wehner, der Ben-Hur-Darsteller Charlton Heston oder die Schriftstellerin Iris Murdoch litten an einer Alzheimer-Demenz. </p><p class="bodytext">Die Demenz ist keine einheitliche Erkrankung, sondern ein komplexes Beschwerdebild, dem unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen – korrekt wäre deshalb der Begriff Demenzsyndrom. Mit etwa 55 % aller Fälle ist die Alzheimer-Demenz am häufigsten. An zweiter Stelle steht die vaskuläre (gefäßbedingte) Demenz (~ 20 %). Mischformen beider Demenzen machen etwa 15 % aus. </p><p class="bodytext"><h4>Alzheimer-Demenz </h4> </p><p class="bodytext">Der Name des Arztes Alois Alzheimer (1864–1915) steht für eine Erkrankung, bei der die Lebensuhr scheinbar rückwärts läuft. Betroffene sind wie in sich selbst versunken. Es scheint, als hätten sie sich selbst „verloren“. Alzheimer protokollierte diesen Zustand erstmals im Jahr 1901 bei einer 51-jährigen Frau namens Auguste Deter: „Wie heißen Sie?“ „Auguste.“ – „Familienname?“ „Auguste.“ – „Wie heißt Ihr Mann?“ „Ich glaube … Auguste.“ </p><p class="bodytext">Die Ursachen der Alzheimer-Demenz sind nach wie vor unklar. Genetische Faktoren spielen eine Rolle und sind Gegenstand intensiver Forschungen. So haben etwa Menschen mit einer bestimmten Genform für das <strong>Apolipoprotein E</strong> (ein Fette transportierendes Eiweiß im Blut) ein erhöhtes Risiko für eine Alzheimer-Demenz. Erbliche Formen der Alzheimer-Demenz sind jedoch selten. Hauptrisikofaktor der Alzheimer-Demenz ist das Lebensalter. </p><p class="bodytext">Veränderungen im Gehirn beginnen schon Jahre (möglicherweise Jahrzehnte) vor den ersten Beschwerden. Sie beginnen offenbar in den für Gedächtnisbildung und Sprache zuständigen Hirnarealen und breiten sich dann aus, bis sie schließlich das gesamte Großhirn betreffen. In den Nervenzellen lagern sich krankhafte <strong>Tauproteine</strong> in Form von Neurofibrillenbündeln ab (die normalen Tauproteine sind Eiweißmoleküle, die die Transportkanäle innerhalb der Nervenzellen stabilisieren). Zwischen den Nervenzellen sammelt sich ein unlösliches Eiweiß, das <strong>Beta-Amyloid </strong>(β-Amyloidpeptid, kurz Amyloid). Es entsteht durch Spaltung aus dem <strong>Amyloidvorläuferprotein </strong>(Amyloid-Precursor-Protein, APP), das nach heutigem Kenntnisstand für die Kontaktbildung zwischen den Nervenzellen eine Rolle spielt. Beide Vorgänge führen zu einem Untergang von Nervenzellen und damit zur Schrumpfung des Gehirns (Hirnatrophie). Das Amyloid kann sich zudem um die Blutgefäße ablagern und so zu Ernährungsstörungen der Nervenzellen führen. Auch Entzündungszeichen sind nachweisbar; ihre Bedeutung für die Krankheitsentstehung ist aber noch unklar. </p><p class="bodytext">Durch Funktionsstörung und Untergang von Nervenzellen ändert sich außerdem der Botenstoffhaushalt im Gehirn. Insbesondere kommt es zu einem Mangel an <strong>Acetylcholin</strong> (Signalmolekül, das für das Gedächtnis von besonderer Bedeutung ist) und zu einem Überschuss an Glutamat. Die Beschwerden beginnen bei der Alzheimer-Demenz schleichend, in aller Regel nach dem 60. Lebensjahr. Typischerweise bleibt die Persönlichkeit des Kranken lange erhalten. Im Durchschnitt wird Alzheimer erst im vierten Jahr nach Auftreten der ersten Symptome diagnostiziert. Die Erkrankung führt immer zum fortschreitenden geistigen Abbau und zum körperlichen Verfall und endet etwa neun Jahre nach Beginn der Beschwerden mit dem Tod. </p><p class="bodytext"><h4> Vaskuläre Demenz </h4> </p><p class="bodytext">Der vaskulären Demenz liegen Gefäßerkrankungen zugrunde: </p><p class="bodytext"><ul><li>Bei der <strong>Multiinfarkt-Demenz</strong> führen viele kleine Schlaganfälle bei Arteriosklerose zu kaum sichtbaren Leistungsverlusten; sie bleiben daher meist unbemerkt. Sie schädigen in ihrer Gesamtheit das Gehirn aber so stark, dass es schließlich zum Bild der Demenz kommt. </li><li>Auch einzelne Schlaganfälle, die besonders wichtige Stellen im Gehirn treffen, können zu einer vaskulären Demenz führen. </li><li>Eine dritte Ursache der vaskulären Demenz ist die Binswanger-Erkrankung. Bei dieser führt ein langjähriger Bluthochdruck zur Schädigung und zum Funktionsausfall vieler kleinster Arterien im Gehirn. In den von diesen Arterien versorgten Hirnarealen kommt es zum Gewebeuntergang. </li></ul> </p><p class="bodytext">Kranke mit einer vaskulären Demenz zeigen typischerweise schon früh ausgeprägte Persönlichkeits- und Stimmungsveränderungen; der Krankheitsverlauf ist eher schritt- oder schubweise als schleichend. Werden die Gefäßrisiken beseitigt, muss der geistige Abbau nicht zwangsläufig weiter fortschreiten. </p><p class="bodytext"><h4>Andere Demenzformen </h4> </p><p class="bodytext">Nur bei etwa 10 % der Demenzkranken ist die Demenz auf andere Ursachen zurückzuführen, z. B. auf eine <strong>frontotemporale Demenz</strong> (Pick-Krankheit). Sie heißt so, weil die Abbauvorgänge hier vor allem den Stirn- und Schläfenlappen betreffen. Die Krankheit zeigt sich meist schon um das 50. Lebensjahr. Typischerweise treten Verhaltensänderungen (vor allem Unzuverlässigkeit, Taktlosigkeit, Aggressivität) früh und Gedächtnisstörungen erst spät auf. </p><p class="bodytext">Weitere Demenzursachen sind die Parkinson-Krankheit, die Huntington-Krankheit und die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit. </p><p class="bodytext">Eine US-amerikanische Studie hat gezeigt, dass auch Patienten mit Typ-2-Diabetes ein erhöhtes Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Schuld daran sind akute Unterzuckerungen, die bei schlecht eingestellter Insulin-Medikation vorkommen. Nach einem solchen Vorfall ist das Demenzrisiko bereits um 26 % erhöht, nach zwei sogar um 80 %. Außerdem können noch eine Vielzahl weiterer Erkrankungen Hirnleistungsstörungen hervorrufen, z. B. ein Normaldruckhydrozephalus, eine chronische Subduralblutung oder Gehirntumoren. </p><p class="bodytext"> </p><p class="bodytext"><p class="das_macht_arzt"><strong>Das machen Arzt, Pflegende und andere Therapeuten </strong></p> </p><p class="bodytext">Es beginnt meist damit, dass den Angehörigen und (seltener) auch dem Kranken selbst auffällt, dass „der Kopf irgendwie nicht mehr in Ordnung ist“. Und hier fangen die Probleme schon an. Wie damit umgehen? Offen darüber reden und früh testen lassen? Oder angesichts der eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten und der schlechten Prognose doch lieber so lange wie möglich tun, als ob nichts wäre? Die Tendenz geht heute eindeutig zu einem offenen Umgang mit frühzeitigen Tests und Aufklärung des Patienten, sofern dies sein Wunsch ist. Sehr viele Betroffene empfinden die Ungewissheit als äußerst quälend, sodass Nichtaufklärung nicht unbedingt Schonung des Patienten bedeutet. Zu bedenken ist außerdem, dass viele Entscheidungen, auch finanzieller und rechtlicher Art (z. B. Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung) nur in der Frühphase einer Demenz noch mit dem Kranken zusammen möglich sind. Bei Nichtaufklärung hat der Kranke keine Chance, über sich selbst zu bestimmen. Manche Betroffene leugnen jedoch ihre Probleme und gehen auf keinerlei Gesprächsangebot seitens der Angehörigen oder des Arztes ein. Diese Haltung sollte ebenfalls akzeptiert werden, denn es gibt auch ein Recht auf Nichtwissen. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Diagnosesicherung.</strong></span> Neben dem Gespräch mit dem Patienten und seinen Angehörigen hilft es dem Arzt zu wissen, wie Menschen den Patienten beurteilen, die ihn länger nicht gesehen haben, da diesen Veränderungen oft eher auffallen. Zu dieser ersten Bestandsaufnahme gehört immer auch eine gründliche Durchsicht der eingenommenen Medikamente, da zahlreiche Medikamente die Hirnleistung verschlechtern können. Eine eingehende körperliche Untersuchung deckt z. B. neurologische Auffälligkeiten auf, die bei der Alzheimer-Demenz selten, bei den anderen Formen der Demenz aber häufig sind. </p><p class="bodytext">Objektivieren lassen sich Gedächtnis und Denkvermögen durch standardisierte Tests. Suchtests, z. B. der <strong>Mini-Mental-Status-Test</strong> (MMST) oder der <strong>DemTect</strong> dauern 15–30 Minuten und sind beim Hausarzt, Neurologen oder in speziellen Gedächtnissprechstunden oder -ambulanzen möglich. Bei Bedarf werden sie durch aufwendigere Tests ergänzt. </p><p class="bodytext">Blutuntersuchungen (mit Bestimmung des Vitamin-B12- und Folsäurespiegels sowie der Schilddrüsenhormone), eine Teststreifenuntersuchung des Urins, EKG und CT bzw. Kernspin des Kopfs gelten als Minimalprogramm, um behandelbare Ursachen auszuschließen. Insbesondere das Kernspin gibt Hinweise darauf, ob eine Alzheimer- oder eine vaskuläre Demenz wahrscheinlich ist. </p><p class="bodytext"> </p><p class="bodytext">Weitergehende Untersuchungen schließen sich je nach Einzelfall an, z. B. ein Ultraschall der Halsgefäße bei Verdacht auf vaskuläre Demenz oder eine Liquoruntersuchung, um Entzündungen auszuschließen, gegebenenfalls mit Bestimmung von Tauproteinen und Amyloidpeptid. Das Positronenemmissionstomogramm (PET) erlaubt eine weitere Differenzierung, kann aber nur in wenigen Krankenhäusern durchgeführt werden. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Zweifelsfälle.</strong></span> Manchmal zeigen die Tests eine leichte Verminderung der geistigen Fähigkeiten, die Alltagsfähigkeiten sind aber nicht eingeschränkt. Diese diagnostische Grauzone heißt leichte kognitive Störung. Hier kann nur die weitere Beobachtung zeigen, ob die geistigen Fähigkeiten stabil bleiben, oder ob es sich um das Frühstadium einer Demenz handelt. </p><p class="bodytext">Auch Demenz und Depression sind bisweilen kaum voneinander zu trennen. Viele Demenzkranke haben depressive Verstimmungen, und umgekehrt klagen viele depressive Menschen über eine Verschlechterung ihrer geistigen Fähigkeiten, sodass hierfür der Begriff <strong>Pseudodemenz bei Depression</strong> (Scheindemenz) geprägt wurde. Ist eine Diagnose nicht zweifelsfrei möglich, wird zunächst die Depression medikamentös behandelt. </p><p class="bodytext"><h4>Differenzialdiagnose </h4> </p><p class="bodytext"><div class="gh_leuchtstift">Wichtig ist die Abgrenzung der Demenz von der <strong>Altersvergesslichkeit,</strong> heute etwas feiner als alters-assoziierte Gedächtnisstörung bezeichnet. Aber wo ist die Grenze zwischen „normaler“ Altersvergesslichkeit und beginnender Demenz? Eine beginnende Demenz könnte vor allem vorliegen, wenn: </div> </p><p class="bodytext"><ul><li>Die Gedächtnisstörungen „anders“ sind als früher, sich die Brille beispielsweise nicht im Bad, sondern im Kühlschrank wiederfindet, Erlebnisse komplett vergessen werden und auch Notizzettel nicht mehr helfen </li><li>Weitere Auffälligkeiten hinzukommen, z. B. undeutliches Sprechen und häufiges „Faden verlieren“, Probleme bei den Bankgeschäften oder Gebrauchsanweisungen, aber auch Ungeschicklichkeiten und Persönlichkeitsveränderungen </li><li>Die Störungen den beruflichen und häuslichen Alltag beeinträchtigen. </li></ul> </p><p class="bodytext"><!-- ###MEDIA0### --> </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Medikamentöse Therapie.</strong></span> Lässt sich eine Grunderkrankung feststellen, wird diese therapiert. Bei 90 % der Betroffenen ist dies jedoch nicht der Fall. Die medikamentöse Behandlung besteht dann aus drei Teilen: </p><p class="bodytext"><ul><li>Die bei älteren Menschen häufig auftretenden internistischen Erkrankungen, z.&nbsp;B. Herzschwäche oder Bluthochdruck, werden konsequent behandelt, um eine hierdurch verursachte Durchblutungsstörung mit Verschlechterung der Hirnfunktion zu vermeiden. Ganz besonders wichtig ist dies bei einer vaskulären Demenz. Medikamente, die die Hirnleistung verschlechtern können, werden – wenn möglich – weggelassen oder durch andere Medikamente ersetzt. </li><li>Medikamente zur Verbesserung der Gehirnleistung (Antidementiva) werden in Fach- wie Laienpresse kontrovers diskutiert. </li><li>Auch bei gesicherter Demenz sollten schwere depressive Verstimmungen medikamentös behandelt werden. Im Krankheitsverlauf ist es außerdem oft nicht zu umgehen, Medikamente gegen besonders belastende Verhaltensweisen zu verabreichen, z. B. <span class="handelsname">Risperdal®</span> gegen Unruhe, Aggressionen oder Wahnvorstellungen oder <span class="handelsname">Dipiperon®</span> gegen Schlafstörungen. </li></ul> </p><p class="bodytext"><h4>Milieutherapie </h4> </p><p class="bodytext">Da die heute verfügbare medikamentöse Therapie eine Demenz nicht heilt und auch den Alltag für den Kranken und seine Bezugspersonen nicht erleichtert, kommt vor allem der <strong>Milieutherapie</strong> (Milieugestaltung) eine große Bedeutung zu. Dazu gehört die Schaffung eines konstanten Umfelds durch möglichst gleichbleibende Bezugspersonen, konstante Tagesabläufe, gleichbleibende Aufenthaltsorte und die Vermeidung von Gefahren. Dies heißt: </p><p class="bodytext"><ul><li>Die Aufenthalts- oder Wohnräume sind übersichtlich, bieten ausreichend Bewegungsfreiheit und sind frei von gefährlichen Gegenständen wie spitzkantigen Schränken oder Klappstühlen. Als Beleuchtung empfiehlt sich helles, warmes Licht (keine Neonröhren). Auch die bekannten Lieblingsfarben sollten sich in den Räumen wiederfinden, z. B. in Bildern, Vorhängen oder Tagesdecken. Ist ein Umzug ins Pflegeheim notwendig, bieten dem Kranken seit langem ans Herz gewachsene Gegenstände wie Urlaubssouvenirs oder selbst geknüpfte Teppiche, die an der Wand hängen sollten (auf dem Boden liegende kleine Teppiche - sind Stolperfallen). Orientierungshilfen und bewirken im vorerst fremden Heimzimmer ein Gefühl von „zu Hause“. Persönliche Gegenstände und damit verbundene Erinnerungen sind wichtig, auch wenn der Betroffene zunächst den Eindruck erweckt, dass er diese ignoriert. </li><li>Tagsüber vermitteln vertraute Abläufe, z. B. feste Schlafens- und Aufwachzeiten, der Vormittagsspaziergang oder das nachmittägliche Kaffeetrinken ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Rituale helfen bei der Tagesstrukturierung; das kann z. B. auch ein Lied sein, das immer gemeinsam vor den Mahlzeiten gesungen wird. Die Tagesstruktur sollte von den Gewohnheiten und Bedürfnissen des Kranken und nicht von den Vorstellungen der Betreuenden geprägt sein. </li><li>Alltagsrisiken werden minimiert. Beispielsweise elektrische Geräte nur gemeinsam mit einem Betreuer benutzen oder steile Kellertreppen sichern bzw. notfalls ganz meiden. </li></ul> </p><p class="bodytext"><h4>Biografiearbeit </h4> </p><p class="bodytext">Wer die Biografie von Demenzkranken kennt – Herkunft, Kindheitserlebnisse, Freundschaften, Beziehungen, Vorlieben, Eigenschaften – kann ihr Verhalten und die damit verbundenen Bedürfnisse manchmal besser verstehen und verständlicher darauf reagieren. Die Biografie ist oft der Schlüssel zu noch vorhandenen Fähigkeiten, die es zu fördern gilt, damit sie möglichst lange erhalten bleiben. Viele Demenzkranke </p><p class="bodytext"><ul><li>Singen gern und erinnern sich häufig an Lieder- und Gedichtstrophen aus ihrer Kindheit. Sie können diese problemlos auswendig vortragen. Singen ist aber auch ein gutes Ablenkungsmittel in angespannten Situationen und kann bei Ritualen helfen, etwa dem Schlafengehen, das z. B. mit einem Abendlied eingeleitet wird. </li><li>Verlernen oft nicht die Fähigkeiten, die sie in früheren Zeiten erworben haben, z. B. Klavierspielen, Tanzen oder Schreibmaschineschreiben. Diese Fähigkeiten sollten so lange wie möglich gefördert werden. </li><li>Nehmen Düfte wahr und lassen sich durch sie zu Erinnerungen anregen. Kaffeeduft, Zigarrenrauch oder das (frühere) Lieblingsparfüm rufen manchmal schöne Erlebnisse wach. </li></ul> </p><p class="bodytext"><div class="gh_warnung">Überforderung trainiert nicht, sondern führt dem Kranken nur seine Defizite vor Augen, macht ihn ratlos und verursacht Stress, wodurch sich die Gehirnleistung weiter verschlechtert. Gedächtnistraining oder „Gehirnjogging“ sind wenig und allenfalls im Frühstadium hilfreich. </div> </p><p class="bodytext"><p class="selbsthilfe"><strong>Unterstützung durch Angehörige </strong></p> </p><p class="bodytext">Den Angehörigen kommt in der Welt des Demenzkranken eine zentrale Bedeutung zu. Gut zwei Drittel aller Kranken werden zu Hause von der Familie betreut, unter für Außenstehende oft kaum nachvollziehbaren Belastungen. Um an diesen Belastungen nicht zu zerbrechen, sollten sich Angehörige rechtzeitig über den Krankheitsverlauf informieren. Dazu können sie Beratungsstellen oder Pflegekurse besuchen, die häufig auch von Krankenkassen finanziert werden. Dort bekommen sie Praxistipps, können sich mit anderen Betroffenen austauschen und Rat finden. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Mit Demenzkranken richtig umgehen.</strong></span> „In mir passt nichts zusammen“, sagt eine Frau verwundert zu ihrer Tochter und drückt damit aus, wie sehr sie Veränderungen spürt, die in ihrem Inneren vorgehen, und wie sehr sie diese verunsichern, ohne dass sie sie begreifen kann. Um solche Aussagen zu verstehen, muss man ein wenig in die Welt der Demenz eintauchen. Dazu helfen folgende Gedanken: </p><p class="bodytext">Demenzkranke meinen, alles richtig zu machen. Wer sie verbessert, macht sie oft unsicher. Sie leiden am Verlust ihrer Autorität und spüren, wenn man sie nicht ernst nimmt oder gar über sie lacht. Die Empfehlung deshalb: Seien Sie sparsam mit Kritik. Lösen Sie wiederkehrende Alltagsprobleme lieber im Hintergrund. </p><p class="bodytext">Demenzkranke vertuschen ihre Unsicherheit, indem sie sich den Alltag oft „vereinfachen“. Beispielsweise ziehen sie alles an, was sie finden, weil sie die jeweilige Jahreszeit und entsprechende Temperaturen nicht mehr richtig einschätzen können. Aber auch ein Bademantel für den Gang zum Supermarkt ist für sie durchaus normal. Die Empfehlung deshalb: Legen Sie – ohne groß darüber zu reden – am Vorabend die für den Folgetag geeignete Wäsche an immer der gleichen Stelle bereit. </p><p class="bodytext">Demenzkranke verzweifeln, wenn sie ihre persönlichen Dinge nicht finden. Dinge, die sie selbst versteckt haben, z. B. ihr Portemonnaie, ihre Uhr oder den Wohnungsschlüssel. Besprechen Sie mit dem Kranken sichere Plätze und nennen Sie diese immer wieder. Treffen Sie Vorsorge, indem Sie z. B. einen Schlüsselfinder kaufen und zusätzlich einen Reserveschlüssel beim Nachbarn deponieren. Entfernen Sie aus dem Portemonnaie alle wichtigen Versicherungs- und Geldkarten und kaufen Sie ein neues Portemonnaie in einer auffälligeren Farbe. Ersetzen Sie die wertvolle Uhr durch eine weniger teure im gleichen Design. </p><p class="bodytext">Demenzkranke sprechen gern in „Gesprächsschablonen“, sodass Außenstehende oft nicht merken, wie hilflos sie sind. Genauso sind sie oft stundenlang mit ritualisierten „Tätigkeitsschleifen“ beschäftigt, wie Putz- oder Aufräumaktivitäten. Lassen Sie den Betroffenen machen, was er meint machen zu müssen – halten Sie aber am strikten Tagesablauf fest. Insbesondere feste Essenszeiten bieten eine ideale Gelegenheit, „unsinnige“ Aktivitäten zu beenden oder zumindest zu unterbrechen. </p><p class="bodytext">Demenzkranke haben Halluzinationen; sie hören z. B. laute Musik und strafende Stimmen. Sie haben dann häufig das Gefühl, dass mit ihnen geschimpft wird. Die Umgebung darf nicht zu reizarm sein, ein gewisses Maß an Radio und TV sind in Ordnung, weil es auch das Gehirn des Betroffenen sinnvoll beschäftigt. Und ansonsten: Immer darauf eingehen, wenn Sie um Ihre Meinung gefragt werden und immer wieder geduldig die Aussagen des Kranken richtigstellen. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Realitätsorientierungstraining.</strong></span> An Demenz Erkrankte wissen oft nicht, in welcher Zeit sie sich gerade befinden und driften in die Vergangenheit ab. Manchmal hilft hier das <strong>Realitätsorientierungstraining </strong>(ROT). Es bietet dem Kranken immer wieder Informationen, die ihm die Orientierung zurückgeben, z. B. durch eine gut lesbare Uhr im Wohnzimmer oder indem der Gesprächspartner den jeweiligen Wochentag in das Gespräch einfließen lässt. Solange ein Kranker Notizzettel und andere Merkhilfen nutzen will und diese als hilfreich empfindet, sollte er sie auch verwenden, auch dann, wenn es einem Gesunden als umständlich erscheint. </p><p class="bodytext">Demenzkranke haben einen großen Bewegungsdrang – besonders wenn sie unsicher sind und innere Unruhe verspüren. Schaffen Sie Raum für diesen Bewegungsdrang in Gärten mit Rundwegen oder Rundgängen in Wohnbereichen mit ausreichend Sitzmöglichkeiten, um sich auszuruhen. Auch zu Hause ist barrierefreies Umhergehen möglich, wenn die Türen innerhalb der Wohnung geöffnet sind und gefährliche Gegenstände aus dem Weg geräumt werden. </p><p class="bodytext">Die findige Ehefrau des erkrankten Herrn B. hat den Flur und die Ausgangstür der Wohnung mit einer Fototapete beklebt und davor einen Sessel gestellt. Nun ruht sich ihr Ehemann dort gerne aus, statt durch die Wohnungstür nach draußen zu verschwinden. </p><p class="bodytext">Nähen oder heften Sie Adresskärtchen mit der Telefonnummer in die Kleidung oder in das Portemonnaie. Mittlerweile gibt es auch Funkmelder, die Sie dem Demenzkranken um das Handgelenk binden können. </p><p class="bodytext">Demenzkranke sind oft aggressiv oder traurig bis depressiv. Hier ist guter Rat teuer: Das Schimpfen und die Einengung durch Bevormundung sind falsch; auch Übervorsorglichkeit ist fast immer ungünstig. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Mit Demenzkranken sprechen.</strong></span> Wer mit Demenzkranken spricht, sollte in einfachen Sätzen reden. Dies bedeutet aber nicht, in die „Babysprache“ zu verfallen; denn der Kranke ist trotz seiner Einschränkungen ein Erwachsener und kein Kind. </p><p class="bodytext">Generell gilt: </p><p class="bodytext"><ul><li>Kurze ganze Sätze formulieren und Pausen machen. </li><li>Möglichst Namen und Begriffe verwenden, die der Kranke kennt. Bildhafte Beschreibungen vermeiden (statt: &quot;Schau mal, hast Du da nicht auch gerade eben unseren jungen Nachbarn mit dem kirschfarbenen Mantel vorbeigehen gesehen?&quot; lieber: &quot;Schau! Da kommt Sebastian! Er hat einen roten Mantel an.&quot;) </li><li>Erklären, was man gerade macht (&quot;Ich hole Dir jetzt ein Handtuch aus dem Schrank. Damit trockne ich Dir dann Dein Gesicht ab.&quot;) </li><li>Fragen stellen, auf die der Betroffene eindeutig mit &quot;Ja&quot; oder &quot;Nein&quot; antworten kann. Ihm für die Antwort ausreichend Zeit lassen </li><li>Darauf achten, dass die Informationen für den Betroffenen in der momentanen Situation von Bedeutung sind (&quot;Gleich gibt es Mittagessen&quot;, aber nicht: &quot;Im Mai machen wir dann einen schönen Ausflug.&quot;) </li><li>Die eventuell aufkommende Enttäuschung über das von Ihnen vielleicht nicht wie gewünscht verlaufene Gespräch nicht zeigen. Wie jeder Mensch empfinden auch Demenzkranke ein abruptes Wegdrehen oder Aufstehen als verletzend. </li></ul> </p><p class="bodytext">Man kann jedoch nicht mit jedem Demenzkranken gleich kommunizieren. Das Gespräch sollte sich am Ausprägungsgrad der Krankheit orientieren. </p><p class="bodytext">Leichte Demenz: </p><p class="bodytext"><ul><li>Wichtiges am Vormittag besprechen. Dann sind Demenzkranke am aufmerksamsten.</li><li>In lauten Situationen ist es sinnvoll, bewusst leise zu sprechen. So lässt sich Aufregung und Nervosität verringern.</li><li>Zum Vermeiden von Stress und Streit auf bestimmte Reizwörter wie &quot;nie&quot;, &quot;trotzdem&quot;, &quot;nicht&quot; oder &quot;nein&quot; verzichten.</li><li>Verbote sind tabu. Besser ist es, den Patienten Vorschläge zu machen, unter denen sie auswählen können.</li></ul> </p><p class="bodytext">Mittelschwere Demenz: </p><p class="bodytext"><ul><li>Den Demenzkranken direkt und offen ansprechen und niemals über seinen Kopf hinweg mit einem anderen Anwesenden sprechen. Auch heimliche Gespräche sind ein Tabu. Im schlimmsten Fall wird so nur sein Misstrauen geschürt. Nicht nur verletzt es die Würde des Demenzkranken, sondern man kann auch nie abschätzen, was der Patient noch alles mitbekommt.</li><li>Verneinungen und Füllwörter (&quot;nicht&quot;, &quot;niemand&quot;, &quot;keiner&quot;, &quot;eigentlich&quot;, &quot;an sich&quot;) vermeiden, da sie häufig überhört werden, besonders, wenn die Betroffenen gerade aufgeregt sind. Vom Hinweis &quot;Keiner will Dir Böses&quot; nimmt der Betroffene vielleicht nur den Begriff &quot;Böses&quot; wahr.</li><li>Über Wiederholungen des Gesagten nicht lachen, sondern darauf eingehen. Auch sich wiederholt vorzustellen gehört notfalls dazu.</li></ul> </p><p class="bodytext">Schwere Demenz: </p><p class="bodytext"><ul><li>Den Betroffenen immer von vorne nähern, damit man immer in ihrem Blickfeld ist.</li><li>Mit dem Sprechen erst beginnen, wenn der Demenzkranken einen gesehen hat. Auch während des Gesprächs unbedingt den Augenkontakt beibehalten.</li><li>Häufig ist es von Vorteil, den Betroffenen das gewünschte Verhalten wie Essen oder Waschen beispielhaft vorzumachen.</li><li>Die größten Chancen, verstanden zu werden, sind mit einer einfachen Sprache und Sprechweise gegeben, die durch einfache Gestik und Mimik unterstützt wird.</li></ul> </p><p class="bodytext"><p class="vorsorge"><strong>Vorsorge </strong></p> </p><p class="bodytext">Einen effektiven Schutz vor Demenzerkrankungen gibt es nicht. Je älter ein Mensch wird, desto höher ist das Risiko, an Demenz zu erkranken. Folgende Maßnahmen verringern aber das Risiko, sofern man früh genug damit beginnt: </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Fit halten.</strong></span> Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass geistig und körperlich aktive Menschen seltener an Demenz erkranken als inaktive. Es ist aber davon auszugehen, dass eine gewisse „Mindestdosis“ von Aktivitäten erforderlich ist. Der tägliche 5-Minuten-Blick in die Tageszeitung oder der Spaziergang zum Briefkasten reichen nicht. Nutzen Sie daher im Alltag alle Gelegenheiten, geistig und körperlich in Bewegung zu bleiben. </p><p class="bodytext">Versuchen Sie ebenfalls, Ihren Kopf einmal täglich herauszufordern. Das heißt nicht, sich permanent mit Gedächtnisübungen, komplizierten Rechenaufgaben oder anstrengenden Sachbüchern zu überfordern. Lösen Sie Kreuzworträtsel, legen Sie Puzzles, lesen Sie einen Roman, gehen Sie ins Kino oder ins Theater. Helfen Sie den (Enkel-)Kindern bei den Hausaufgaben, suchen Sie das Gespräch und die Diskussion mit anderen Leuten, z. B. in Cafés oder Volkshochschulkursen. Wagen Sie immer wieder etwas Neues, das Ihnen Befriedigung gibt oder Spaß macht. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Ernährung.</strong></span> Eine fett- und kalorienarme Ernährung reduziert das Risiko, an Demenz zu erkranken. Der Verzicht auf Kaffee oder Alkohol wirkt nach heutigem Kenntnisstand nicht vorbeugend, beides kann deshalb in Maßen genossen werden. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Medikamente.</strong></span> Medikamente können derzeit nicht zur Vorbeugung empfohlen werden. Es gibt Hinweise darauf, dass die gegen Fettstoffwechselstörungen eingesetzten Statine, risikomindernd wirken, bewiesen ist dies aber noch nicht. Entzündungshemmer (NSAR) haben in Studien ebenso enttäuscht wie Vitaminpräparate. Die langjährigen Hoffnungsträger Östrogene ist nicht empfehlenswert; sie erhöhen möglicherweise sogar das Demenzrisiko. </p><p class="bodytext">Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Vitaminpräparate – anders als bisher angenommen – doch wirkungsvoll sind. In einer Studie mit Patienten, die an leichten kognitiven Beeinträchtigungen litten, bremste eine Kombination aus hochdosierten B-Vitaminen und Folsäure den Gehirnschwund deutlich. Damit eröffnet sich die Chance, dem Voranschreiten einer Demenz, das mit einem rapiden Gehirnschwund einhergeht, mit einer Vitamin-Therapie vorzubeugen. Der Mechanismus, der dahinter steckt: Durch den Vitamincoktail sinkt der Gehalt an Homozystein im Blut der Patienten, ein Eiweiß, das, wenn es erhöht vorliegt, ein Risikofaktor für Demenz darstellt. </p><p class="bodytext">Sondertext: Medikamente gegen Demenz (Antidementiva) </p><p class="bodytext"><p class="komplementaermed"><strong>Komplementärmedizin </strong></p> </p><p class="bodytext">Komplementärmedizinische Maßnahmen zielen in erster Linie auf eine Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen, einen Einfluss auf die Abbauprozesse im Gehirn haben sie nicht. Entsprechend unbefriedigend ist auch hier die Therapie der Demenz. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Pflanzenheilkunde.</strong></span> Zur Verbesserung der Hirnleistung werden unzählige Substanzen empfohlen, u. a. <strong>Ginkgo-biloba-Extrakte</strong> (GBE), z. B. <span class="handelsname">Tebonin®</span>. Studien zur Wirksamkeit von Auszügen des Ginkgobaums (auch Fächerblatt- oder Frauenhaarbaum genannt) zeigten uneinheitliche Ergebnisse. In einer Untersuchung aus dem Jahr 2016 konnten positive Effekte des Spezialextrakt EGb 761® bei leichter bis mittelschwerer Demenz beobachtet werden. Erforderlich war dazu eine Tagesdosis von 240 mg. Es besteht ein gewisses Blutungsrisiko, wenn Ginkgo zusammen mit Plättchen- oder Blutgerinnungshemmern eingenommen wird, wie z. B. niedrig dosierter Acetylsalicylsäure. Deshalb sollten auch rezeptfreie Ginkgo-Präparate nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden. </p><p class="bodytext">Einige pflanzliche Präparate, z. B. Ginseng oder Knoblauch, werden ebenfalls zur Verbesserung der geistigen Leistungsfähigkeit beworben. Trotz positiver einzelner Studienergebnisse gibt es für die Wirksamkeit jedoch keine überzeugenden Belege. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Orthomolekularmedizin</strong></span>. Abgesehen von einigen seltenen Hirnleistungsstörungen durch Vitaminmangel gibt es keinen Nachweis dafür, dass hoch dosierte Vitamingaben gegen eine Demenz wirksam sind. Anders verhält es sich mit den Nahrungsergänzungsmitteln Alpha-Tocopherol (Vitamin E), Lecithin, Dimethylaminoethanol, Phosphatidylserin und Acetyl-1-Karnitin: Hierzu liegen einige ermutigende Studienergebnisse vor, die auf eine Verbesserung insbesondere der kognitiven Leistungsfähigkeit in den frühen Stadien einer Demenzerkrankung schließen lassen. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Akupunktur.</strong></span> Nach Erfahrungsberichten hat die Akupunktur positive Effekte bei einigen Demenzpatienten. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Physikalische Therapie</strong></span>. Nicht zuletzt dank ihrer entspannenden Wirkung scheinen sich regelmäßige Massagen günstig auf Angstzustände bei Demenzpatienten auszuwirken. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Musiktherapie.</strong></span> In einigen auf Demenzerkrankungen spezialisierten Pflegeeinrichtungen ist die Musiktherapie inzwischen fester Bestandteil des therapeutischen Konzepts. Studien legen nahe, dass vor allem Demenzpatienten, die zu aggressivem Verhalten neigen, davon profitieren. </p><p class="bodytext"> </p><p class="bodytext"><p class="infobox">Weiterführende Informationen</p> </p><p class="bodytext"><ul><li><a href="http://www.deutsche-alzheimer.de" target="_blank">www.deutsche-alzheimer.de</a> – Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V., Berlin: Broschüren für Betroffene und Angehörige zum Herunterladen, Adressen von Selbsthilfegruppen, Gedächtnissprechstunden und verschiedenen Beratungsmöglichkeiten, Literatur- und Linkliste. </li><li><a href="http://www.alzheimerforum.de" target="_blank">www.alzheimerforum.de</a> – Alzheimer Angehörigen-Initiative e. V., Berlin: Informations- und Kommunikationsplattform mit Email-Beratung und Internet-Selbsthilfegruppen. </li><li>Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg): Wenn das Gedächtnis nachlässt. Ausführliche Broschüre zu Demenz und häuslicher Pflege. Zum Bestellen oder kostenlosen Herunterladen auf der dazugehörigen Website <a href="http://www.bmg.bund.de" target="_blank">www.bmg.bund.de</a>, Rubrik Publikationen, dann weiter bei Pflege. </li><li>G. Krämer: Alzheimer-Kranke betreuen. Das Wichtigste über Umgang und Pflege. Trias, 2001. Fachlich fundierter Ratgeber, gut zum Nachschlagen. </li><li>N. Feil: Validation in Anwendung und Beispielen. Reinhardt Verlag, 2007. Auch wenn man nicht alle Auffassungen der Autorin teilen muss, vermittelt dieses Buch eine wertvolle neue Sicht auf den verwirrten alten Menschen. </li><li>M. Suter: Small World. Diogenes, 2000. Eingebaut in eine Kriminalgeschichte wird aus Sicht eines Betroffenen genau und verständlich die Demenz geschildert. </li></ul></p>

Mundinfektionen und Racheninfektionen

<p class="bodytext"> </p><p class="bodytext">Ohne spülenden Speichel ist die Mundhöhle ein idealer Nährboden für Bakterien und andere Mikroorganismen. Wenn hinzukommt, dass die Patienten selbst nicht (mehr) in der Lage sind, Zähne, Zahnfleisch und Schleimhäute regelmäßig zu reinigen und zu spülen, kommt es sehr schnell zu <strong>Pilzinfektionen</strong> oder <strong>Entzündungen in Mund und Rachen.</strong> </p><p class="bodytext">Besonders gefährdet sind Menschen, die keine Nahrung zu sich nehmen dürfen oder können und in ihrer Immunabwehr geschwächt sind. Aber auch Menschen mit Vollprothesen werden häufig von Mundentzündungen geplagt. </p><p class="bodytext"><h4><strong>Häufige Leitbeschwerden </strong></h4> </p><p class="bodytext"> Differenzierte Übersicht </p><p class="bodytext"><ul><li>Trockene Schleimhäute </li><li>Weißlich-gelb belegte Zunge </li><li>Mundgeruch </li><li>Schluckbeschwerden </li><li>Gerötete und blutende Stellen im Mundbereich </li></ul> </p><p class="bodytext"><h4><strong>Die Erkrankungen </strong></h4> </p><p class="bodytext">Häufig treten Pilzinfektionen der Mundhöhle (Mundsoor) oder Entzündungen der Mundschleimhaut (Stomatitis) auf. </p><p class="bodytext">Dringen die Erreger bis zur Ohrspeicheldrüse vor, entzündet sich auch diese (Parotitis). Fieber und durch das Anschwellen bedingte Schluckbeschwerden sind ein deutliches Zeichen. Nicht selten sind pflegebedürftige Menschen auch von kleinen Einrissen an den Mundwinkeln betroffen, die am Übergang von Haut zu Schleimhaut auftreten. Diese Rhagaden sind schmerzhaft und können das Wohlbefinden erheblich beeinträchtigen. Mundwinkelrhagaden treten gehäuft in der kalten Jahreszeit auf. Besonders gefährdet sind Menschen mit einer Allergie oder Hauterkrankung, zum Beispiel Schuppenflechte oder Neurodermitis, sowie gestörter Wundheilung, zum Beispiel bei Diabetes. Reißen die Mundwinkel immer wieder ein, kann dies auf eine Leberzirrhose, Eisenmangel, Vitamin-B-Mangel oder eine Überversorgung mit Vitamin A hinweisen. Auch eine schlecht sitzende Prothese begünstigt das Entstehen von Rhagaden. </p><p class="bodytext">Bei hartnäckigen Entzündungen schließt der Arzt einen Pilzbefall oder eine bakterielle Infektion aus. Bei nachgewiesenem Pilzbefall sind Nystatin-haltige Salben das Mittel der Wahl. Eine bakterielle Infektion wird mit Antibiotikasalben bekämpft. </p><p class="bodytext"><p class="selbsthilfe"><strong>Selbsthilfe </strong></p> </p><p class="bodytext">Borkige und angetrocknete Beläge auf Zunge und Schleimhaut lassen sich leichter entfernen, nachdem sie zehn Minuten vorher vorsichtig aufgeweicht wurden. In hartnäckigen Fällen hilft auch ein wenig Sahne oder Butter, die mit dem Finger aufgebracht werden. Auch wenn Schleimhäute, Zunge oder Lippen entzündet, gerötet oder rissig sind, ist mit fettenden Substanzen Linderung möglich. </p><p class="bodytext">Das Trockentupfen der betroffenen Stelle ist die erste Maßnahme bei Mundwinkelrhagaden. Befeuchten mit Speichel oder Ablecken mit der Zunge ist ungünstig, da dadurch die Haut aufweicht und sie noch leichter einreißt. Fetthaltige Cremes wie Zinkpaste oder Vaseline unterstützen die Heilung. Auch Pflegestifte für trockene Lippen mit Melisse oder Dexpanthenol sind eine Option. </p><p class="bodytext"><h4>Mundpflege bei Prothesenträgern </h4> </p><p class="bodytext">Zahnärzte raten, die Prothese nach gründlicher abendlicher Reinigung auch während der Nacht zu tragen, um Veränderungen des Kiefers und des Zahnfleischs zu vermeiden. Beim Reinigen wird die Prothese möglichst unter fließendem Wasser mit der Zahnbürste geputzt und eventuell in Prothesenreinigungsmittel gelegt. Vor dem Einsetzen in den Mund wird die Prothese mit klarem Wasser gründlich abgespült. </p><p class="bodytext"> </p><p class="bodytext"><p class="vorsorge"><strong>Vorsorge</strong></p> </p><p class="bodytext">Regelmäßiges – vorsichtiges – Zähneputzen und Mundspülen feuchten die Mundhöhle an und reinigen sie. Drogerien und Apotheken bieten zum Mundspülen eine Fülle von – häufig allerdings alkoholhaltigen – Lösungen an. Eine preiswerte Alternative sind abgekühlte Tees, die gleichzeitig die Speichelproduktion anregen, wenn sie säuerlich sind, wie z. B. Früchtetee oder Wasser mit einigen Spritzern Zitrone. Bei Entzündungen im Mund ist Myrrhentinktur, Kamillen- oder Salbeitee zu empfehlen. </p><p class="bodytext"><div class="gh_leuchtstift">Mundspülungen sind nur möglich, wenn der Patient bei Bewusstsein ist und sicher ist, dass er sich dabei nicht verschluckt. Der Betroffene muss verstehen, was getan und von ihm erwartet wird. </div> </p><p class="bodytext">Kann der Patient den Mund nicht selbst spülen, weil er z. B. Schluckbeschwerden hat oder sein Bewusstsein gestört ist, sorgt regelmäßiges Auswischen der Mundhöhle für ein feuchtes und sauberes Klima im Mund. Dabei wird der Patient aufgesetzt. Nach Inspektion der Mundhöhle (gegebenenfalls mit einer Taschenlampe) wischt man die Mundhöhle mit einer Mundspüllösung aus. Dabei werden die Beläge vorsichtig abgelöst und entfernt. Sehr hilfreich sind dabei spezielle feststellbare Pinzetten (z. B. <strong>Pean-Klemmen</strong>). In der Pinzette wird der Kugeltupfer befestigt. Anschließend wird der Tupfer in die Mundspüllösung getaucht. Die Mundhöhle wird mit dem feuchten, aber nicht tropfenden Tupfer vorsichtig ausgewischt, und so wird auch die Zunge gereinigt. </p>

Das Aufklärungsgespräch über das Sterben

<p class="bodytext">Irgendwann steht es fest: Heilung ist nicht mehr möglich, ein Tumor ist wieder aktiv, eine erneute Operation birgt zu große Risiken, oder der Betroffene auf der Intensivstation muss täglich mit einer lebensbedrohlichen medizinischen Komplikation rechnen. In dieser Situation ist <strong>Aufklärung</strong> notwendig, die allen Beteiligten schwerfällt. Ärzte und Pflegende wissen, dass die Krankheit nicht mehr aufzuhalten ist. Die Angehörigen müssen akzeptieren, dass die letzte Lebensphase angebrochen ist. </p><p class="bodytext">Und die Betroffenen? Gerade im Krankenhaus wissen sie oft intuitiv über ihren Zustand Bescheid. Schon deshalb hat es wenig Sinn, sie über ihre Situation im Unklaren zu lassen. </p><p class="bodytext">Wenn die Angehörigen vorab über die Diagnose aufgeklärt worden sind (was meistens der Fall ist), sollten sie zusammen mit dem Arzt besprechen, <i>wie </i>der Patient offen, verständnis- und respektvoll über seine Diagnose informiert wird. Das <i>ob </i>sollte aber nicht infrage gestellt werden, es sei denn, der Betroffene hat eindeutig zu erkennen gegeben, dass er nichts Genaues über seinen Zustand wissen will. </p><p class="bodytext">Doch wie sagt man einem lebensbedrohlich erkrankten Menschen die Wahrheit, ohne ihm den Lebensmut zu nehmen? Drei Dinge sind wichtig: Einfühlungsvermögen, Zeit und Angemessenheit. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Einfühlungsvermögen.</strong></span> Was und wie viel möchte der Kranke wissen? Manche Menschen sind mit Pauschalaussagen zufrieden. Andere wollen wissen, mit welcher Wahrscheinlichkeit bei welchen Nebenwirkungen z. B. eine Tumorremission erreicht werden kann. Es kann fließende Übergänge zwischen kleinen Wahrheiten geben. Dabei besteht jedoch immer auch die Gefahr, dass mit dem Sterbenden nicht ehrlich geredet wird, weil man sich gegenseitig nicht „belasten“ will. Sich in die Lage des Patienten einfühlen zu können bedeutet, über all diese Fragen nachzudenken, ständig im Kontakt mit ihm zu bleiben und die Fortsetzung des Gesprächs anzubieten, wenn etwas „offen“ geblieben ist oder der unheilbar Kranke doch mehr oder detailliertere Informationen zu seinem Zustand haben möchte. Ein Todkranker braucht die Gewissheit, dass jemand da bzw. erreichbar ist, wenn er reden will. </p><p class="bodytext">Zum Thema Einfühlungsvermögen gehört schließlich auch, das Gespräch nicht in Anwesenheit unbeteiligter Dritter zu führen. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Zeit.</strong></span> Mindestens eine halbe Stunde sollten Arzt und Angehörige für das gemeinsame Gespräch einplanen. Da Zeit für den Arzt oft die knappste Ressource ist, lohnt es sich, einen Extratermin für dieses Gespräch zu vereinbaren. Es ist unwichtig, auf welcher „Hierarchiestufe“ der Arzt steht, der das Gespräch führt. So haben Oberärzte zwar die meiste Erfahrung, aber oft besonders wenig Zeit. Letztlich ist es viel wichtiger, dass der Arzt den Patienten kennt und ihn in seinen Verständnismöglichkeiten einschätzen kann. </p><p class="bodytext"><span class="spitzmarke"><strong>Angemessenheit.</strong></span> Kein Arzt kennt den voraussichtlichen Todeszeitpunkt eines Patienten. Er kann nur Erfahrungswerte nennen, z. B. wie lange und mit welchen Komplikationen Patienten mit ähnlichen Befunden noch leben konnten. Aber die Unterschiede sind von Patient zu Patient relativ groß. Deshalb werden erfahrene Ärzte keine Aussagen zur voraussichtlichen Lebensdauer treffen. Diese Unsicherheit darf aber nicht dazu führen, unrealistische Hoffnungen zu wecken. Denn diese behindern das Ringen um die notwendigen Einsichten und lenken den Blick weg von der noch verbleibenden Lebenszeit zurück zum therapeutischen Alltag. So werden wichtige Vorhaben, z. B. das Abfassen eines Testaments, verschoben bzw. nicht ausgeführt. </p>